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Umweltpolitik der GroKo? "Keine Strategie"

9. Februar 2018

Es war ein hartes Ringen. Nun haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Bei Klimaschutz, Verkehr, Energie und Landwirtschaft vermissen Parteien und Verbände konkrete Ziele.

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Niederaußem Kohlekraftwerk und Solarpanele
Bild: Getty Images/L. Schulze

"Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen" - so lautet das Kapitel im Entwurf des Koalitionsvertrags, in dem der Ausbau der Erneuerbaren Energien festgeschrieben ist. Bis 2030 soll 65 Prozent des gesamten Stroms aus regenerativen Quellen wie Sonne, Wind, Wasser oder Biogas gewonnen werden. Aktuell werden 38 Prozent der Energie durch Erneuerbare gedeckt.

Der Energiesektor soll insgesamt ein Schwerpunkt der GroKo (Große Koalition) von CDU/ CSU und SPD sein, allerdings unter wirtschaftlichen Aspekten. Dies bemängelt die Oppositionspartei Bündnis 90/ Die Grünen. 

Der Klimaschutz als zentrale Zukunftsaufgabe komme im Koalitionsvertrag faktisch nicht vor: "Das Klimaziel 2020 wird de facto aufgegeben. Ein klar verabredeter Kohleausstieg fehlt", schimpft Grünen-Chef Robert Habeck. Auch Umweltverbände wie Germanwatch, BUND und Greenpeace vermissen Ankündigungen, zumindest die schmutzigsten Kohlekraftwerke kurzfristig stilllegen zu lassen. 

Deutschland das neue Führungsduo der Grünen
Grünen-Chef Robert Habeck: "Es geht ein bisschen voran, aber nicht weit genug und nicht energisch genug"Bild: Reuters/H. Hanschke

Germanwatch zweifelt zudem an der Ernsthaftigkeit der Absichtserklärung, die UN-Klimaschutzziele 2030 zu erreichen, weil klare Rahmensetzungen und Umsetzungsmaßnahmen erst noch beschlossen werden sollen. "Gerade haben die Koalitionspartner eingeräumt, dass die Klimaziele für 2020 nicht rechtzeitig erreicht werden. Da verkünden sie die nächsten Ziele und lassen bewusst die Frage offen, ob der Scheck diesmal gedeckt ist. Das ist ein riskantes Spiel mit der eigenen Glaubwürdigkeit", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. 

"Der GroKo fehlen Mut und Weitsicht, Klima und Umwelt konsequent zu schützen", bringt es Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland auf den Punkt. "Die Menschen und die Wirtschaft in Deutschland brauchen Klarheit darüber, wie die ökologische Modernisierung weg von fossilen Brennstoffen, Verkehrschaos und einer naturzerstörenden Landwirtschaft gestaltet wird."

Deutschland Sonnenkollektoren und Schafe auf einer Wiese
Mehr Solarkollektoren in der Landschaft: Die GroKo will den Anteil der Erneuerbaren Energieträger bis 2030 auf 65 Prozent ausgebauenBild: picture alliance/blickwinkel/R. Linke

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) macht deutlich, warum größere Vorhaben nicht in dem Vertrag verankert wurden: "In zu vielen Politikbereichen siegt bei Union und SPD der kleinste gemeinsame Nenner." Die Chance auf eine sozial-ökologische Wende werde vertan. Beim Klima, dem Verkehr und der Landwirtschaft vertrete die GroKo weiterhin die Interessen einzelner Industriezweige wie der Kohle-, der Auto- und der Agrarlobby. 

Ambitionierte Ziele für den Naturschutz 

Die GroKo schreibt erstmals den Schutz von Wildnis und Insekten als politische Ziele fest und verspricht umfassende Programme zu ihrem Schutz. Demnach sollen Wildnisfonds als nationales Naturerbe um 30.000 Hektar ausgeweitet, mehr Flüsse renaturiert werden. Erstmals will die Bundesregierung auch eine Strategie zum Schutz der Moore entwickeln. 

NABU Insekten Hornissen-Schwebfliege
GroKo will kleine Tiere retten und das dramatische Insektensterben aufhaltenBild: NABU/ H. May

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nennt das Vorhaben ambitioniert. "Was allerdings fehlt, ist ein übergeordneter Plan, der an Klima, Infrastruktur und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zusammen denkt", sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Verbände kritisieren mutlose Verkehrspolitik  

In der Verkehrspolitik wollen Union und SPD kaum Änderungen vornehmen. Die Verhandlungspartner haben vereinbart, eine Kommission einzuberufen, die bis Ende 2018 einen Fahrplan zur Erreichung der Klimaziele 2030 erarbeiten soll. Um die internationalen Ziele einzuhalten, sollen 55 Prozent an CO2-Emissionen eingespart werden. Nicht mehr nur die Industrie, auch in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Agrar sollen Maßnahmen zum Ausstoß klimaschädlicher Emissionen ergriffen werden.

Besonders kritisch bewerten Greenpeace und NABU die Beibehaltung umweltschädlicher Subventionen für Diesel sowie das Fehlen strengerer CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw. "Selbst aus der Wirtschaft ertönt der Ruf nach Restriktionen", kritisiert Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen). 

Smog in Deutschland- Kaiserdamm in Berlin
Smog - hier fehlt der Durchblick. Und Kritikern am Entwurf des Koalitionsvertrags fehlt eine deutliche Verkehrspolitik Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Diese Politik stehe klar im Widerspruch zu den Pariser Klimazielen, findet Christoph Bals (Germanwatch): "Man kann nicht für den Verkehrsbereich das ambitionierte Ziel setzen, die Emissionen um 40 bis 42 Prozent bis 2030 zu reduzieren und zugleich für die Umsetzung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans massive Investitionen in Straßen ankündigen. 

Mit Blick auf notwendige Konsequenzen aus dem Dieselskandal und die auch klimapolitisch erforderliche Verkehrswende, sagte BUND-Vorsitzende Hubert Weiger: "Die Fortschritte in einzelnen Bereichen wie dem ÖPNV oder dem Ausbau der Bahn können nicht darüber hinwegtäuschen, dass mutige Reformen fehlen." Zwar finde sich im Koalitionsvertrag der Beschluss, Fahrverbote in Städten zu vermeiden, die hierfür notwendigen Maßnahmen wie eine verpflichtende Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Autohersteller blieben jedoch aus. 

BMW i3 Elektroauto an einer Stromtankstelle
Deutschland braucht mehr davon - Ladestationen für Fahrzeuge mit ElektroantriebBild: picture-alliance/dpa/L. Mirgeler

Auch gibt es in der Koalition keinen Willen eine blaue Plakette einzuführen, die schmutzige Dieselfahrzeuge aus Innenstädten fernhalten soll. "In Deutschland müssen Richter die Arbeit von Politikern erledigen und Bürger vor giftigen Abgasen schützen", beklagt Greenpeace-Sprecher Stefan Krug. In mehreren Städten drohen wegen zu schlechter Luft gerichtliche Fahrverbote. 

Landwirtschaft soll naturverträglicher werden

Union und SPD versprechen, sich für eine Umschichtung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen und die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds einzusetzen. "Das System bleibt krank, solange in allen Bereichen die Marktübermacht nicht politisch begrenzt, sondern weiter ausgebaut wird - ob durch Agrarholdings, Supermarktkonzerne, Molkerei- und Schlachtkonzerne, Saatgut- und Pflanzenschutzmittelkonzerne oder Internetkonzerne", zeigt sich Kirsten Tackmann, Agrarpolitische Sprecherin der Linken, enttäuscht.

NABU-Sprecher Leif Miller äußerte sich skeptisch hinsichtlich des geplanten Ausstiegs des umstrittenen Pflanzenschutzmittels: Glyphosat: "Der Ausstieg droht auf die lange Bank geschoben zu werden, weil ein konkretes Datum fehlt. Zudem vermissen wir eine Strategie zur Verringerung aller Pestizide", so Miller. 

Skandalös findet der BUND-Vorsitzende Weiger, "dass der unlauteren und von einer Bevölkerungsmehrheit abgelehnten Wiederzulassung des Pestizids Glyphosat kein verbindliches nationales Ausstiegsdatum entgegengesetzt wird. Wir fordern einen Glyphosat-Ausstieg innerhalb der nächsten drei Jahre."

Die Pläne von Union und SPD, die Bestände des Wolfes reduzieren zu wollen, kritisiert der NABU scharf. Stattdessen müssten Weidetierhalter besser unterstützt werden, ihre Herden besser zu schützen. 

Höherer Ressourcenverbrauch befürchtet 

Bemängelt wird auch das Fehlen einer Strategie zur nachhaltigeren Nutzung von Ressourcen. Der NABU befürchtet, dass durch Digitalisierung und Energiewende die Nachfrage nach Rohstoffen intensiviert werde. Man vermisse Hinweise darauf, dass sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Smartphones und Strom deutlich verringern müsse. 

Ob der Koalitionsvertrag überhaupt umgesetzt wird, hängt von der Basis der Sozialdemokraten ab. Bei der Wahl müssen die SPD-Mitglieder der Neuauflage der Großen Koalition (GroKo) erst noch zustimmen.