Krisensitzung im VW-Aufsichtsrat
23. September 2015Nach der öffentlichen Entschuldigung von VW-Chef Martin Winterkorn für den Abgas-Skandal wird mit Spannung die Reaktion des mächtigen Aufsichtsratspräsidiums erwartet. Dabei dürfte es auch um einen möglichen Rückzug des Vorstandsvorsitzenden gehen. Das fünfköpfige Gremium kam in Wolfsburg bei einer Krisensitzung zusammen. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwochmorgen aus Teilnehmerkreisen. Das Treffen findet demnach auf dem Werksgelände statt. Am Dienstagabend gab es bereits ein Vorgespräch, es drangen aber keine Inhalte an die Öffentlichkeit.
Spannend bleibt auch die Reaktion der Börse - an den vergangenen beiden Handelstagen hatte die VW-Aktie rund ein Drittel ihres Wertes verloren. Winterkorn hatte am Dienstag öffentlich um Entschuldigung für Manipulationen von Abgastests bei VW-Dieselautos gebeten und rasche Aufklärung versprochen.
Elf Millionen Wagen betroffen
Zuvor hatte der Konzern bekanntgegeben, dass weltweit elf Millionen Wagen betroffen sind. VW bildet daher eine Milliarden-Rückstellung und hat eine Gewinnwarnung veröffentlicht. Dem Konzern drohen Milliardenschäden durch mögliche Klagen und Strafgelder.
Mehrere US-Bundesstaaten sind inzwischen dabei, ein Bündnis zu formen, um Ermittlungen gegen den deutschen Autobauer einzuleiten. Das bestätigte ein Sprecher des New Yorker Staatsanwalts Eric Schneiderman. Das US-Justizministerium ermittelt bereits gegen VW. Sowohl wegen möglicher Straftaten wie Betrug als auch wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Umweltgesetze könnten auf bundesstaatlicher Ebene empfindliche Strafen und Bußgelder verhängt werden.
Stillschweigen der Kontrolleure
Trotz des geäußerten Willens von Winterkorn, in der Krise an der Spitze des Konzerns weitermachen zu wollen, ist dessen berufliche Zukunft völlig offen. Vom Präsidium des Aufsichtsrats um den Interimsvorsitzenden Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh war bislang keine Reaktion zu erhalten.
Theoretisch könnte das oberste Kontrollgremium auch die eigentlich für Freitag fest eingeplante Vertragsverlängerung mit dem 68-Jährigen VW-Chef aussetzen. Winterkorns bisheriger Vertrag läuft noch bis Ende 2016. Kritiker der Variante monieren jedoch, dass damit nicht sichergestellt ist, dass in dieser Zeit die laufenden Ermittlungen in den USA abgeschlossen werden können.
Auch kanadische Umweltbehörde alarmiert
Unterdessen ruft die Abgas-Affäre auch die kanadische Umweltbehörde auf den Plan. Diese teilte mit, rund 100.000 Dieselfahrzeuge von VW und der Konzerntochter Audi würden untersucht. Dazu bestehe Kontakt zur US-Umweltbehörde EPA und der kanadischen Volkswagen-Tochter. Die Höchststrafe für Verstöße gegen kanadische Umweltgesetze liegt bei vier Millionen Euro.
Die Vorwürfe gegen Volkswagen und die Tochter Audi waren am Freitag öffentlich geworden. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA entwickelte Volkswagen eine Software, mit der Vorgaben zur Luftreinhaltung zwar bei Tests, nicht aber beim normalen Betrieb der Autos erfüllt wurden. Die Dieselfahrzeuge stießen folglich im regulären Straßenverkehr mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus als erlaubt.
Immer weitere Kreise
Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig sind nach Angaben des niedersächsischen Justizministeriums mehrere Strafanzeigen "aus der Bevölkerung" gegen Verantwortliche von VW eingegangen. In Betracht komme unter anderem Betrug zu Lasten von Autokäufern, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Anzeigen würden derzeit geprüft. Um wie viele es sich handle und gegen wen genau sich die Anzeigen richteten, sei noch nicht bekannt.
dk/jj/pab (dpa, afp, rtr)