1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Autonarr und Überzeugungstäter

Thomas Kohlmann23. September 2015

Den internen Machtkampf gegen VW-Übervater Piëch hatte Konzernchef Winterkorn gerade erst gewonnen. Doch die Abgas-Affäre bedeutet nun das Karriereende für den leidenschaftlichen Ingenieur. Ein Portrait.

https://p.dw.com/p/1GajK
Deutschland Volkswagen Martin Winterkorn
Bild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

"Das Auto der Zukunft wird sicher ein Fahrzeug sein, das möglichst wenig Emissionen erzeugt." Dieser Satz von Martin Winterkorn aus einem Interview mit der DW im Januar 2014 bekommt durch den aktuellen Abgas-Skandal des VW-Konzerns eine ganz neue Wendung. Immer mehr Beobachter fragen, wieviel "Wiko" - so Winterkorns Spitzname - von den Manipulationen bei Diesel-Modellen in den USA wusste. Denn der am 24. Mai 1947 in Leonberg bei Stuttgart geborene Manager gilt als einer, der sich selbst mit den kleinsten Details seiner Autos befasst.

Der Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau, die als Donauschwaben nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn vertrieben worden waren, wuchs vor den Toren der Autostadt Stuttgart auf. Schon früh begeisterte er sich für Autos: "Wer, wie ich, in den 50er und 60er Jahren groß geworden ist, in der Nachkriegszeit, der ist mit Autos groß geworden. Und da bekommt man automatisch das Thema Mobilität und Fahrzeug mit in die Wiege gelegt. Wenn man dann noch groß geworden ist im Schwabenland, in der Nähe von Zuffenhausen, auch dann tagtäglich die schönen Porsches sehen konnte, wird man automatisch ein Mensch, der sich für Autos interessiert. Und deswegen bin ich auch gerne Autoingenieur geworden."

Kühlmittel und Qualitätssicherung

Sein erster Job nach dem Studium der Metallkunde und Metallphysik, das er 1977 mit der Promotion abschloss, war bei Robert Bosch in Stuttgart, wo er sich mit Verfahrenstechnik beschäftigte. Ab 1978 war er bei der Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH für die Entwicklung so genannter Kältemittelverdichter, wie sie in Kühlschränken verwendet werden, zuständig,

Der Sprung von der Kühl- und Haushaltsgerätetechnik führte Winterkorn 1982 nach Ingolstadt zur Volkswagen-Tochter Audi. Dort war der spätere VW-Chef Ferdinand Piëch in verschiedenen Funktionen damit beschäftigt, aus dem Nischenanbieter eine Oberklassen-Marke zu schmieden. Piëch förderte Winterkorn, der bei Audi als Assistent des Vorstands für Qualitätssicherung anfing und später - ausgerechnet - für Messtechnik und Testverfahren bei Neuentwicklungen zuständig war. Anfang 1988 berief ihn der gerade zum Audi-Chef aufgestiegene Piëch zum Verantwortlichen für die "Zentrale Qualitätssicherung." Und das sei er im Prinzip bis heute geblieben, schrieb das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" im April 2015 in einer Titelgeschichte über den Führungsstil des VW-Chefs.

Audi Produktion Ingolstadt Archiv 2013
Unter Piëch und Winterkorn wandelte sich Audi vom Nischenanbieter zur Premiummarke: Produktion in IngolstadtBild: Getty Images

Im Schlepptau von Ferdinand Piëch

1993 wechselte Winterkorn zur Muttermarke VW und machte - gefördert von Konzern-Patriarch Ferdinand Piëch - eine steile Karriere. 2002 wurde der heute 68-jährige Winterkorn Vorstandschef von Audi, seit 2007 steht er an der Spitze des Volkswagen-Konzerns.

Aus einem kriselnden Unternehmen führte Winterkorn VW unter die Top 3 der globalen Autokonzerne, bis 2018 will Winterkorn die globale Nummer Eins Toyota vom Sockel stoßen. Die Erfolge spiegelten sich auch im Einkommen des VW-Chefs wider: Kein anderer Vorstand eines Dax-Unternehmens verdient so viel wie Winterkorn: 2014 waren es 15 Millionen Euro.

Der Mentor wendet sich ab

Völlig unerwartet ging Winterkorns Förderer und damaliger VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch im April mit den Worten, er sei "auf Distanz" zum VW-Chef, an die Öffentlichkeit. Piëch entzog Winterkorn das Vertrauen und versuchte ihn als VW-Vorstandschef abzusetzen. Und das, obwohl der Volkswagen-Konzern einen Monat zuvor Rekordzahlen vorgelegt hatte: über 200 Milliarden Euro Umsatz, ein Gewinn von 10,9 Milliarden Euro und mehr als zehn Millionen verkaufte Autos weltweit.

Archivbild Ferdinand Piech
Porsche-Enkel und langjähriges Schwergewicht im VW-Konzern: Ferdinand PiëchBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Im Machtkampf mit Piëch, über dessen Hintergründe nach wie vor spekuliert wird, setzte sich Winterkorn schließlich durch. Piëch trat als VW-Aufsichtsratschef zurück und der Aufsichtsrat stärkte Winterkorn an der Spitze des Konzerns. Er sei der "bestmögliche" Vorstandschef, so der Aufsichtsrat im Frühjahr.

In einem Video-Statement, das der VW-Konzern am Dienstag verbreitete, gab sich Winterkorn zerknirrscht und entschuldigte sich für die Manipulationen bei den Abgas-Tests in den USA. Er signalisierte aber, dass er an seinem Posten festhalten und an der Spitze des Konzerns die Affäre aufklären will. "Manipulieren und Volkswagen - das darf nie wieder vorkommen", versprach er mit etwas starrem Blick in die Kamera und beschwor einen Neuanfang: "Wir klären das auf."

Für diese Aufklärung wird Winterkorn nun als Volkswagen-Chef nicht mehr zuständig sein.