Krause spurtet zu Bronze
30. September 2019Beim Trainer fließen Tränen. Wolfgang Heinig schlägt die Hände vors Gesicht und strahlt gleichzeitig. Momente zuvor hatte er gebannt den starken Endspurt von Gesa Krause verfolgt. Erst auf der letzten halben Runde hatte sich die 27-Jährige an den Konkurrentinnen vorbei geschoben und dem deutschen Team die erste Medaille beschert. "Was heute abend abgeht“, dazu könne er nichts sagen, sprudelt es im TV-Interview aus ihm heraus, "nur, dass man mich heute um Mitternacht besser nicht mehr interviewt." Krause genießt zur gleichen Zeit ihre Freude unten auf der Tartanbahn. Mit der deutschen Fahne zeigt sie sich den Fotografen, verteilt Kusshände und wirkt rundum glücklich.
Krause bleibt cool
Das Rennen startete mit einer Demonstration der Stärke. Weltrekordlerin Beatrice Chepkoech aus Kenia stürmte nach dem Startschuss los und riss sofort eine Lücke von 20 bis 30 Metern, die sie bis ins Ziel scheinbar mühelos verteidigte. Hinter ihr bildete sich eine Verfolgergruppe an deren Ende sich Krause positionierte. Runde um Runde ging das so, es sah lange aus, als müsste sie abreißen lassen. "Ich war überrascht, wie schlecht es mir ging", erklärt Krause diese Phase des Rennens in der sie nicht die Geduld verlor, "aber meine Stärke ist es, gegen Ende, wenn die anderen nachlassen, noch durchzuziehen."
In den letzten zwei Runden des Rennens fiel die Gruppe zusehends auseinander. Langsam schob Krause sich nach vorn. Trainer Heinig auf der Tribüne hielt die Spannung kaum aus, er schrie und gestikulierte. 300 Meter vor dem Ziel löste sich die US-Amerikanerin Emma Coburn. Vor Krause näherte sich Winfred Yavi, eine gebürtige Kenianerin die für Bahrain startet, dem letzten Wassergraben. Es ist der Moment der Entscheidung: Yavi strauchelte, Krause erwischte das Hindernis perfekt und schob sich auf den dritten Rang. Die Freude über diesen Wiederholungs-Erfolg, nach WM-Bronze 2015, bricht schon Meter vor der Ziellinie aus ihr heraus. Lächelnd fiel sie der vor ihr platzierten Coburn um den Hals. Ihre Zeit: 9:03,30 Minuten - damit hat Krause ihren erst einen Monat alten deutschen Rekord um fast vier Sekunden verbessert. "Ich habe alles aus mir herausgeholt", betont sie, "ich kann es gar nicht in Worte fassen. Ich habe davon geträumt, ich wollte es unbedingt."
Das zeigte sich im Training: seit Ende Oktober 2018 gönnte sich die Studentin der Wirtschaftspsychologie keinen freien Tag. "Das ist für einen Außenstehenden vermutlich wirklich unvorstellbar." Mit WM-Bronze im Gepäck geht es demnächst in den Urlaub und dann wieder auf die Tartanbahn. Nächstes Ziel: die Olympischen Spiele in Tokio.