Ohne die USA geht es nicht
17. November 2020Von Donald Trumps harscher Kritik an Deutschland wurde Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in den vergangenen Jahren so manches Mal überrascht. Dennoch lässt die CDU-Ministerin auf das transatlantische Verhältnis nichts kommen: Die USA seien weiterhin Deutschlands wichtigster Verbündeter, betonte sie in einer Grundsatzrede, die sie vor Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg hielt. "Ohne die nuklearen und konventionellen Fähigkeiten Amerikas können Deutschland und Europa sich nicht schützen." Die USA stellten schätzungsweise 75 Prozent aller militärischen Fähigkeiten der NATO, diese könne Deutschland nicht ersetzen.
"Kein hilfsbedürftiger Schützling"
Für Kramp-Karrenbauer heißt das aber auch, dass es sich Deutschland und Europa unter dem Schutzschirm der USA nicht bequem machen dürfen: Europa müsse für die USA ein starker Partner auf Augenhöhe sein "und kein hilfsbedürftiger Schützling", betonte sie. Das könne allerdings nur funktionieren, wenn die Europäer in Zukunft "mehr von dem selbst tun, was uns die Amerikaner bisher abgenommen haben".
Genau das hatte US-Präsident Donald Trump immer wieder vehement eingefordert: Ein reiches Land wie Deutschland müsse mehr Geld in seine Streitkräfte und die militärische Ausrüstung investieren. Trotz einer steten Steigerung des deutschen Wehretats, der in diesem Jahr bei etwa 45 Milliarden Euro liegt, blieb Trump bei seiner Kritik.
Denn von der Zusage der Bundesregierung, mittelfristig zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, ist Deutschland noch weit entfernt. Seinem Ärger über die Bundesregierung machte Trump unter anderem dadurch Luft, dass er im Sommer den Abzug von 12.000 US-Soldaten aus Deutschland ankündigte.
Absage an Frankreich
Vom künftigen US-Präsidenten, dem Demokraten Joe Biden, erwartet die Bundesregierung zwar einen konzilianteren Ton, aber in der Sache keinen Kurswechsel. Um von den USA ernst genommen zu werden, müsse Europa seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen, forderte Kramp-Karrenbauer.
Anders als der französische Präsident Emmanuel Macron träumt sie aber nicht von einem Europa, das sicherheitspolitisch souverän ist und sich im Idealfall mit einer eigenen Armee verteidigen kann. Macron hatte kürzlich in einem Interview beklagt, dass Europa seine geopolitischen Beziehungen stets nur mittels der NATO definiert habe.
Im Gegensatz dazu unterstrich die Bundesverteidigungsministerin, dass ihr die Idee einer strategischen Autonomie Europas zu weit gehe, "wenn sie die Illusion nährt, wir könnten Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in Europa ohne die NATO und ohne die USA gewährleisten". Eine eigene europäische Streitmacht sei "eine Vision unter vielen anderen", erteilte sie Macrons Ambitionen eine Absage.
Ein "New Deal" mit Joe Biden
Wie bereitet sich Deutschland sicherheitspolitisch auf den Machtwechsel in den USA vor? Kramp-Karrenbauer plädiert dafür, dem kommenden US-Präsidenten Joe Biden einen "New Deal" vorzuschlagen. Drei Eckpunkte seien ihr dabei wichtig: Zum einen der Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten trotz der finanziellen Belastungen durch die Corona-Pandemie. Außerdem ein Bekenntnis Deutschlands zur nuklearen Teilhabe der NATO, also zur Stationierung von US-Atomwaffen auf deutschem Staatsgebiet. Und nicht zuletzt eine gemeinsame Agenda Europas und der USA gegenüber China, das seinen Einflussbereich auch mit militärischen Mitteln immer weiter ausdehnt.
Europäische Waffen für die Bundeswehr
In ihrer Rede präzisierte Kramp-Karrenbauer auch, welche Waffensysteme sie für die Bundeswehr vorrangig beschaffen oder aufstocken möchte: das europäische Kampfflugzeug Eurofighter, den Transporthubschrauber NH90 und die Eurodrohne. Die Eurodrohne ist eine Kampfdrohne, die Deutschland gemeinsam mit europäischen Partnern in den kommenden Jahren entwickeln will.
Weiteren Wünschen nach Anschaffung teurer Rüstungsgüter erteilte sie eine Absage. Das würde zu Lasten des Grundbetriebs der Bundeswehr gehen, die heute noch unter dem Sparkurs der Vergangenheit leide. "Diesen Fehler hat die Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten gemacht, und er hat die Streitkräfte bis ins Mark getroffen. Das darf sich nicht wiederholen."