Krönung Charles III. ohne den Diamanten Koh-I-Noor
5. Mai 2023Am Samstag (6. Mai) werden Charles III. und Camilla zu König und Königin desVereinigten Königreichs von England gekrönt. Doch ein Symbol wird dann nicht Teil des Zeremoniells sein: der Koh-i-Noor Diamant. Er ist eigentlich Teil der Krone der "Queen Consort", der Königsgattin. Er soll nun weg gelassen werden, um keine "politischen Gefühle" zu verletzen, ließen royale Kreise die britischen Medien wissen.
Auf dem Koh-i-Noor soll ein Fluch lasten, der männlichen Trägern Unglück bringt. Deswegen wird der über 5000 Jahre alte Diamant nur von Frauen getragen. Zuerst ließ Königin Victoria (1819-1901) ihn neu schleifen, danach trugen ihn die Königinnen Mary und Alexandra, ab 1937 zierte er die Krone von Königin Elizabeth, besser bekannt als "Queen Mum".
Dass Queen Camilla nun auf den Diamanten verzichtet, ist eine große Geste. Doch warum ist dieser Diamant ein so wichtiges historisches Artefakt?
Die Geschichte von Koh-i-Noor
Der 108,93-Karäter, der sogar mal ein 190-Karäter war, bevor er nach England gelangte, hat eine lange und blutige Eroberungsgeschichte. Der Koh-i-Noor hat eine außergewöhnliche Form. "Er ähnelt einem großen Hügel oder Eisberg, der steil zu einem kuppelförmigen Gipfel aufsteigt", so beschreiben William Dalrymple und Anita Anand den Edelstein in ihrem Buch "Koh-i-Noor: The History of the World's Most Infamous Diamond" von 2017.
Zum ersten Mal wurde der Diamant vom persischen Historiker Muhammad Kazim Marvi erwähnt, der die Invasion von Nadir Schah (ab 1736 Schah von Persien) nach Indien Mitte des 18. Jahrhunderts dokumentiert.
Die Wissenschaftler sind sich über die Herkunft des Edelsteins uneins. Viele sind der Meinung, dass er aus dem Alluvialboden von Golkonda, im südlichen Indien (im heutigen Telangana), geschürft wurde. Dann fiel er im frühen Mittelalter in die Hände von plündernden Turkmenen und verblieb über mehrere islamische Dynastien in Indien, bevor er in die Hände des Moguls gelangte.
Sie verloren ihn schließlich an den persischen Eroberer Nadir Schah, der ihn Koh-i-Noor nannte, Berg des Lichts. Nadir Schah übergab ihn an seinen afghanischen Leibwächter Ahmad Schah Abdali, und er blieb für rund hundert Jahre in afghanischer Hand, bevor Ranjit Singh, erster Herrscher des geeinten Punjab, ihn 1813 einem flüchtenden Afghanen abnahm.
Nach dem Tode des Maharadschas 1839 zerfiel das Sikh-Reich, und vor diesem Hintergrund konnte die britische Ostindien-Gesellschaft Punjab erobern. Ranjit Singhs 10-jähriger Sohn, Duleep Singh, wurde von den Briten gefangen genommen. 1855 wurde der Koh-i-Noor von Duleep Singhs Vormund Sir John Spencer Login dem Generalgouverneur von Indien, James Broun-Ramsay, Earl von Dalhousie, übergeben. Dieser wollte seine Geschichte niederschreiben, bevor er den Edelstein Königin Victoria präsentierte und beauftragte einen jungen Offizier, Theo Metcalfe, mit Recherche und Niederschrift der Geschichte des Diamanten.
Von diesem Zeitpunkt an wurde der Diamant immer berühmter, als Höhepunkt gilt seine Ausstellung durch Königin Victoria in Großbritannien. "Er wurde zum Symbol der Weltherrschaft des viktorianischen Englands und seiner Macht (...), sich die begehrenswertesten Objekte rund um den Globus anzueignen und in triumphaler Weise auszustellen", schreiben Anand und Dalrymple in ihrem Buch.
Neben Indien erheben heute auch Pakistan, Afghanistan und Iran Ansprüche auf den Diamanten.
Symbol des britischen Imperialismus
Noch heute hat Koh-i-Noor seinen Glanz und seinen Ruf als Symbol britischer Eroberungen erhalten. Das ist ein zentraler Grund, warum Indien seine Rückkehr fordert. "Viele haben sich für die Rückkehr des Diamanten stark gemacht, Politik, Aktivisten und Kulturgutexpertinnen und Experten", sagt Anuraag Saxena, ein in Singapur lebender Aktivist und Gründer des India Pride Projektes, das sich für Restitution von indischen Kulturgütern einsetzt. "Wir plädieren dafür, dass der Diamant und auch anderes geraubtes Kulturgut als Zeichen gegen historisches Unrecht zurück gegeben wird."
Auch andere indische Aktivistinnen und Aktivisten haben sich für eine Rückkehr des Diamanten nach Indien ausgesprochen. "Als Königin Elizabeth starb, sah ich in einer der Prozessionen die Krone mit Koh-i-Noor darin", erinnert sich Venktesh Shukla, ein Investor aus San Francisco mit indischen Wurzeln. Er war so irritiert, dass er eine Petition gegen die Zurschaustellung und für die Restitution des Diamanten auf der Internetplattform Change.org startete. "Sie sollten sich dafür schämen, wie sie den Diamanten in Besitz genommen haben. Und anstatt sich zu schämen, brüsten sie sich damit." Es sei arrogant vom Vereinigten Königreich, den Stein derart zur Schau zu stellen, so Shukla.
Erst im Oktober 2022 hat Arindam Bgchi, Sprecher der indischen Außenministerium, gesagt, die Regierung werde "weiterhin Wege und Mittel prüfen, die Angelegenheit in zufriedenstellender Weise zu lösen". Dies folgte auf die Aussage der indischen Regierung 2016, dass der Diamant ein Geschenk an die Briten gewesen sei.
Doch Shukla findet, dass es an der Zeit sei, dass eine Bewegung von unten, den Fokus darauf legt, den Briten ihr koloniales Erbe bewusst zu machen. Seine Petition wurde von 9600 Menschen unterschrieben, doch es bleibt abzuwarten, ob seine Initiative oder die der indischen Regierung Früchte tragen.
Imperiale Traditionen
Momentan sieht es so aus, als sei die Entscheidung vom Buckingham Palast, den Diamanten vorerst nicht mehr zu zeigen, ein Kompromiss. Die Krone von Camilla wird stattdessen den Cullinan-Diamanten schmücken, den größten je gefundenen Diamanten. Er wurde 1905 in Südafrika entdeckt - und ist ein weiteres Symbol des britischen Imperialismus. Das sieht nicht nach einem ernst gemeinten Gesinnungswandel aus. In der Vergangenheit haben auch britische Politiker die Weigerung zu jeglicher Herausgabe von kolonialen Kulturgütern unterstrichen. 2013 betonte der damalige Premierminister David Cameron, er sei gegen "Returnism" (dt. Rückgeberei), wenn es um koloniale Diamanten gehe.
Auch imperiale Institutionen wie das Victoria und Albert Museum oder das British Museum, die tausende aus den Kolonien gestohlene Artefakte beherbergen, verweigern sich den Restitutionsforderungen.
"Unsere Artefakte zurückzugeben wäre ein einfacher Weg für die Briten, für die Sünden ihrer brutalen Kolonialvergangenheit zu sühnen", argumentiert Aktivist Saxena. Die USA, Deutschland, Frankreich, Kanada und Australien zeigten sich inzwischen auch einsichtig. "Ist es nicht an der Zeit, dass das Vereinigte Königreich mit dem Rest der Welt Schritt hält?"
Redaktion: Elizabeth Grenier
Dieser Text wurde von Julia Hitz aus dem Englischen übersetzt.