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Europa vor 50 Jahren

Julia Elvers-Guyot19. März 2007

Nie wieder Krieg in Europa. Das war die Prämisse nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die die Anfänge der Europäischen Union zurück gehen. Wie sahen die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse damals aus?

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Die in Rom versammelten Regierungschefs von Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnen am 25. März 1957 die Römischen Verträge (Quelle: akg-images)
25. März 1957: sechs westeuropäische Regierungschefs unterzeichnen die Römischen VerträgeBild: picture-alliance / akg-images
Eine Frau lehnt vor einer Gebirgskulisse an einer roten Isetta (Quelle: BMW)
Werbefoto für den BMW Isetta aus dem Jahr 1956Bild: BMW

Vespa-Motorroller und Isetta-Kleinstwagen waren in den 50er-Jahren Statussymbole für die Aufbruchstimmung nach dem Krieg und das beginnende Wirtschaftswunder. Und eine zusammenwachsende Wirtschaft in Europa sollte jeden weiteren Krieg auf dem Kontinent verhindern. Der französische Außenminister Robert Schuman entwickelte daher einen Plan für die Zusammenarbeit im Kohle- und Stahlsektor, die eine Remilitarisierung Deutschlands unmöglich machen sollte.

Zwei Frauen fahren nebeneinander auf zwei minstgrünen Vespas
Angesagt: Vespa-Fahren

Den Plan für eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) legte Schuman Großbritannien, Italien, der Bundesrepublik Deutschland und den Benelux-Staaten am 9. Mai 1950 vor. Lediglich Großbritannien - Europas führender Kohle- und Stahlproduzent - lehnte ihn aus Angst um seine Vormachtstellung in dem Sektor ab. Die anderen gründeten 1951 die EGKS oder die so genannte Montanunion.

Koreakrieg: Kommunisten wider Freiheit und Frieden

Ein nordkoreanischer Bauer, der 1950 mit seinen wenigen Habseligkeiten unter Lebensgefahr nach Südkorea geflüchtet ist, wird von einem Soldaten hinter die Kampflinie geführt
Ein nordkoreanischer Bauer, der unter Lebensgefahr nach Südkorea geflüchtet ist, wird von einem Soldaten hinter die Kampflinie geführtBild: dpa

Die Kommunisten empfanden die Gründung der EGKS als Angriff auf den Sowjetischen Block. Sie verurteilten die Reintegration Westdeutschlands in den westlichen Block, dem sie vorwarfen, sich auf einen dritten Weltkrieg vorzubereiten. Tatsächlich entzündete sich aber von Seiten der Kommunisten ein neuer Krieg: der Koreakrieg von 1950 bis 1953. Die Welt war entsetzt. "Durch ihren Angriff auf Korea haben die kommunistischen Führer ihre Missachtung der grundlegenden moralischen Prinzipien demonstriert, auf denen die Vereinten Nationen begründet sind", sagte US-Präsident Harry Truman. Dies sei eine direkte Kampfansage an die Bemühungen der freien Nationen, eine Welt zu bauen, in der die Menschen in Freiheit und Frieden leben können.

Der Koreakrieg machte den Europäern klar, wie wichtig es war, sich auch militärisch zusammenzuschließen. Die USA baten ihre Alliierten, auch über eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands nachzudenken. So entwickelte der französische Wirtschaftspolitiker Jean Monnet - unter Einbindung der Bundesrepublik - den Plan einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Bei der ostdeutschen Regierung sorgte dies für Aufruhr: "Während wir in allen Teilen unserer Republik unermüdlich am friedlichen Aufbau arbeiten, ist eine verbrecherische Clique im Westen unserer Heimat im Auftrage der amerikanischen Rüstungsherren dabei, unser deutsches Volk in einen 3. Weltkrieg zu treiben!" so DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck 1952.

Lieber Sportliche Wettkämpfe als Krieg

Fünf Eisschnellläufer beim Training im Bislett Stadium, Oslo am 2.2.1952 (Quelle: AP)
Winterolympiade 1952 in OsloBild: AP

Doch statt die Waffen gegeneinander zu erheben, traten die Nationen lieber im sportlichen Kampf gegeneinander an: 1952 bei den Olympischen Winterspielen in Oslo und den Sommerspielen in Helsinki, aber vor allem: bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Während der 3:2-Sieg gegen Ungarn das Selbstbewusstsein der Deutschen ungemein stärkte, scheiterte die EVG im August 1954 am Veto der französischen Nationalversammlung. Zu stark waren hier die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und die Besetzung Frankreichs durch die Nazis. Außerdem standen die Zeichen ihrer Meinung nach auf Entspannung: Am 5. März 1953 war Stalin gestorben, wenige Monate später endete der Koreakrieg.

Vertragsunterzeichnung im Palais de Chaillot in Paris (Quelle: dpa)
Die Pariser Verträge vom 23.10.1954 führen zur Gründung der WEUBild: dpa - Bildarchiv

Aber mit dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft war die erste Anstrengung zur Integration, die die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl unternommen hatte, vorerst an ihre Grenzen gestoßen. Die Gründung der Westeuropäischen Union (WEU) im Oktober 1954 war nur ein schwacher Ersatz für die EVG: In ihr sicherten sich die Mitglieder im Falle eines Angriffs auf Europa lediglich gegenseitigen Beistand zu.

Die Wiederbewaffnung Deutschlands konnte Frankreich dennoch nicht verhindern: Mit Gründung der WEU erhielt die Bundesrepublik die Einladung zum NATO-Beitritt, der im Mai 1955 vollzogen wurde. Die Bundesrepublik wurde souverän und gründete die Bundeswehr. Reaktionen aus der DDR ließen nicht lange auf sich warten. "Westdeutschland wird in schnellem Tempo militarisiert, in den Nordatlantik-Block und in die Westeuropäische Union eingegliedert", sagte Ministerpräsident Otto Grothewohl. "Unter dem Deckmantel einer Scheinsouveränität haben Militaristen und Revanchisten in Westdeutschland freie Hand erhalten."

Rock'n'Roll im Westen, Aufstände im Osten

Bill Haley mit seiner Band (Quelle: AP)
Bill Haley and the CometsBild: AP

Daraufhin gründeten die Sowjets im Mai 1955 das Militärbündnis Warschauer Pakt. Der Kalte Krieg erlebte einen ersten Höhepunkt - zumindest auf Regierungsebene. Bei den jungen Leuten dieser Zeit waren andere Dinge angesagt: Blue Jeans und Lederjacke, Petticoat und Ballerinas. Während der Rock'n'Roll von Bill Haley und Elvis Presley im Westen für Lebensfreude sorgte, wuchs im Osten in immer mehr Satellitenstaaten der UdSSR die Unzufriedenheit über die sowjetische Vormachtstellung. Bereits 1953 war es zum Arbeiteraufstand in der DDR gekommen, den die Sowjets blutig niedergeschlagen hatten.

Ungarische Aufständische stehen vor dem Parlament auf einem Panzer und schwenken die ungarische Flagge (Quelle: AP)
Ungarische Aufständische haben einen sowjetischen Panzer gekapertBild: AP

1956 forderten die Ungarn einen Abzug der im Land stationierten sowjetischen Truppen sowie freie Wahlen. Der beliebte Reform-Kommunist Imre Nagy wurde zum Ministerpräsidenten gewählt. Unter seiner Führung verließ Ungarn am 1. November den Warschauer Pakt. Doch das ließen sich die Russen nicht so einfach gefallen: Sowjetische Truppen griffen Budapest an. 3000 Ungarn starben bei dem Volksaufstand, 2000 weitere - darunter Imre Nagy - wurden später zum Tode verurteilt.

Der Ungarnaufstand vertiefte die Spaltung der Welt in zwei verfeindete Blöcke unter der Führung der Sowjetunion und der USA. Die sechs EGKS-Mitglieder spürten, dass sie in ihrer politischen und wirtschaftlichen Einigung weiter gehen mussten, um auf der internationalen Bühne bestehen zu können. Der Weg zu den Römischen Verträgen war frei.