Kontroverses Echo nach Wahl in der Ukraine
1. April 2019"Die Wahlen fanden unter starker Konkurrenz statt, und die Wähler hatten eine große Auswahl", sagte der Koordinator der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Ilkka Kanerva, in Kiew. Er hoffe, dass das in die EU strebende Land seine demokratische Entwicklung fortsetze. Die Abstimmung am Sonntag sei eine der wichtigsten in Europa gewesen, sagte Kanerva. Etwa 30 Millionen wahlberechtigte Ukrainer konnten zwischen 39 Kandidaten auswählen. Am Ende setzte sich mit großem Abstand der Komiker Wolodymyr Selenskyj gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko durch. Sie müssen in drei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander antreten.
Die OSZE erinnerte daran, dass wegen des Kriegs im Osten der Ukraine und auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim keine Abstimmung möglich gewesen sei. Zudem gebe es Hinweise auf Stimmenkauf. Das Innenministerium der Ex-Sowjetrepublik sprach von etwa 2600 registrierten Verstößen gegen das Wahlgesetz. Die OSZE überwachte die Wahl mit 808 Beobachtern. Russischen Wahlbeobachtern war bereits im Vorfeld die Arbeit verweigert worden, was Moskau kritisierte. Die Organisation beklagte, dass mehrere ausländische Korrespondenten nicht ins Land durften, darunter auch Reporter aus EU-Staaten.
Klare Botschaft für Putin
Der außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, betonte in der Deutschen Welle: "Das erste Signal ist, dass trotz des Kriegszustandes in der Ostukraine die Ukraine demokratische Wahlen durchführen kann. Das ist ein starkes Signal an Russland, dass die Ukraine dem russischen Druck, der ja wirtschaftlich und militärisch ist, nicht nachgeben wird." Dies sollte auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin eines Besseren belehren. "Er sollte mit der neuen Regierung, mit der neuen Parlamentsmehrheit enger zusammenarbeiten, wenn es um eine Lösung, eine nachhaltige Lösung, in der Ostukraine geht. Und unabhängig davon wer regiert, wird die Ukraine immer auf die volle territoriale Souveränität und Integrität wert legen müssen. Und damit muss dann auch Putin rechnen."
Mit Blick auf den Kandidaten Selenskyj wies der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), darauf hin, dass Neulinge von außen durchaus eine Chance hätten. "Sie müssen zwar die Menschen, ihre Wähler überzeugen. Aber es ist ein Signal, dass die Lage der Transformation Gelegenheiten geschaffen hat für diejenigen, die von außen kommen und etwas Neues versprechen."
Zu viele Korruptionsfälle
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Omid Nouripour, erklärte gegenüber der DW: "Es ist offensichtlich, dass die Menschen in der Ukraine genug haben von der politischen Elite. Es gibt zu viele Korruptionsfälle. Es gibt zu viele Menschen, die mit den Hoffnungen der Menschen spielen. Das Gute in der Ukraine ist, die Menschen gehen zur Wahl."
Der außenpolitische Sprecher der FPD-Fraktion Bijan Djir-Sarai, merkte an, die Ukrainer hätten das Gefühl gehabt, "dass in den letzten Jahren einiges schief gelaufen ist in dem Land, und sie wollten Veränderung." Diese Wahl sei "in erster Linie innenpolitisch motiviert" gewesen und habe "aus meiner Sicht keinen direkten Bezug nach Russland gehabt".
Keine Chance für Poroschenko?
Deutliche Kritik war in Moskau zu vernehmen. Ranghohe russische Politiker werten das schlechte Abschneiden Poroschenkos als Protest gegen seine anti-russische Haltung. "Es ist der Beweis, dass die Politik des Präsidenten gescheitert ist", sagte der Außenpolitiker Leonid Sluzki nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Tass. Weder Wahlmanipulationen, Sanktionen gegen Russland noch die Unterstützung des Westens hätten Poroschenko geholfen, sagte Sluzki, der den Außenausschuss im russischen Parlament leitet. Der ukrainische Präsident habe sich nur aufgrund seines Amtes überhaupt in den zweiten Wahlgang retten können. Es sei ausgeschlossen, dass Poroschenko die Stichwahl so gewinne.
Der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des russischen Föderationsrates, Konstantin Kosatschow, erklärte, die rekordverdächtig niedrige Wahlbeteiligung sei "ein Spiegel der sozialen Apathie der Wähler", da "es keinen Glauben an die Fairness der Wahlen gegeben habe". Die große Zahl von Beschwerden und Unregelmäßigkeiten sollten von Beobachtern genauestens geprüft werden.
Der Senator erinnerte auf seiner Facebook-Seite auch daran, dass Millionen ukrainischer Bürger ihrer Wahlmöglichkeit beraubt worden seien, insbesondere in der Südostukraine und in Russland. "Dies ist ein riesiges Feld für den Missbrauch durch die Behörden". Auch könne man nicht wissen, "wohin die Stimmen der Kandidaten vom dritten bis zum fünften Platz in der zweiten Runde gehen werden".
kle/hk (dpa, ape, DW, russland.news)