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Kongos Regierung fürchtet Funken der Freiheit

Philipp Sandner18. März 2015

Kongos Sicherheitskräfte greifen gegen Oppositionelle durch. Betroffen sind auch westafrikanische Aktivisten. Präsident Kabila wittert eine Verschwörung. Mit seinem Vorgehen dürfte er sich weiter ins Abseits stellen.

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Polizisten in Kinshasa (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Scoppa/AFP/Getty Images

Joseph Kabila ist in Schwierigkeiten. Seit der Präsident der Demokratischen Republik Kongo (DRK) im Januar vergeblich versuchte, sich über eine Verfassungsänderung den Weg zu einer weiteren Amtszeit zu ebnen, sieht er seine Felle davon schwimmen. Jeder Protest wird daher im Keim erstickt. Nur so lässt sich erklären, wie die Polizei in den letzten Tagen gegen Oppositionelle vorging: Sie verhaftete unter brutalem Vorgehen dutzende Menschen in den Städten Kinshasa und Goma und hielt sie tagelang fest. Von "Folter und Erpressung" sprach die Organisation "Kampf für Veränderung" (Lucha) in ihrem Twitter-Account und erklärte: "Wir werden nicht lockerlassen!"

Es begann am vergangenen Sonntag mit einer Pressekonferenz der Graszwurzelbewegung Filimbi in der Hauptstadt Kinshasa. Die kongolesischen Aktivisten hatten sich mit Vertretern der Bürgerbewegungen "Y en a marre" aus Senegal und "Balai citoyen" aus Burkina Faso zusammengefunden, um junge Leute für Fragen der Demokratie und politischer Beteiligung zu sensibilisieren - so berichten es Augenzeugen. Kurz darauf sprengten Sicherheitskräfte die Veranstaltung und verhafteten rund dreißig Aktivisten aus allen drei Ländern. Die Unruhe schwappte ins ostkongolesische Goma über: Sicherheitskräfte nahmen dort mindestens zehn Bürger fest, die gegen die Verhaftungen in Kinshasa protestierten. Auch eine belgische Wissenschaftlerin wurde im Gemenge verletzt, ein belgischer Journalist kurzzeitig festgenommen.

Screenshot Hompage Flimbi Kongo
"Junge Leute, es reicht!" Mit dem Symbol der Trillerpfeife ruft Filimbi auf seiner Webseite zum Protest auf

Genug ist genug

Für die kongolesische Regierung ist die Sache glasklar. Die Aktivisten aus dem Senegal und aus Burkina Faso sind für sie Unruhestifter, die im Kongo den Aufstand organisieren wollten. Sie sollten ihre Aktivitäten auf ihre eigenen Länder beschränken, sagte am Montag Informationsminister Lambert Mende. Doch die Erklärungsnot war ihm anzumerken. "Wir müssen uns weder beschuldigen lassen, noch sind wir irgendwem eine Erklärung schuldig", so Mende. Man verteidige schließlich nur die Sicherheit der DRK, die nicht von senegalesischen Aktivisten beherrscht werden dürfe. Zwei Tage später erklärte die Regierung, man werde die beteiligten Westafrikaner des Landes verweisen.

"Y en a marre" und "Balai citoyen" stehen für einen neuen demokratischen Aufbruch in Afrika. In ihren westafrikanischen Heimatländern waren sie erfolgreich: Im Senegal warb "Y en a marre" ("Es ist genug") 2012 dafür, den Präsidenten Abdoulaye Wade abzuwählen. Dieser verlor im zweiten Wahlgang gegen Herausforderer Macky Sall. "Balai citoyen", der "Besen der Bürger", protestierte vergangenes Jahr gegen eine Verfassungsänderung in Burkina Faso, die Langzeitpräsident Blaise Compaoré eine weitere Amtszeit garantieren sollte. Mit Massenprotesten und einer Besetzung des Parlaments zwang die Bevölkerung Compaoré Ende Oktober 2014 zum Rücktritt. Seither regiert eine Übergangsregierung.

Protest von Y en a marre im Senegal (Foto: AP)
Y en a marre rief junge Leute im Senegal auf, zu wählenBild: AP

Szenarien, die Kongos Regierung nun offenbar auch im eigenen Land befürchtet. "Wenn die Bevölkerung in Burkina Faso es gut findet, dass ein Parlamentsgebäude in Flammen aufgeht, ist das ihre Sache", wetterte Mende, der sich auf Polizeiquellen berief. "Aber wenn sie glauben, dass sie unseren Bürgern beibringen können, Molotov-Cocktails zu bauen und das Parlament in Flammen zu setzen, werden wir das verhindern und sie müssen sich vor Gericht verantworten."

Anschuldigungen, die die westafrikanischen Aktivisten weit von sich weisen. "Was wir in Kinshasa gemacht haben, ist genau das gleiche, was wir in ganz Afrika gemacht haben", sagte "Y en a marre"-Sprecher TIATH. Seine Bewegung sei auf Einladung junger, dynamischer Kongolesen nach Kinshasa gereist - es sei darum gegangen, junge Leute über den Wahlprozess zu informieren und für Bürgerbeteiligung zu werben: "Für uns war es ein guter Moment, dorthin zu gehen, um unsere Erfahrungen an Universitäten und in benachteiligten Stadtvierteln zu teilen." Nur mit Worten bewaffnet hätten sich die Aktivisten auf den Weg in den Kongo gemacht, beteuert auch Smockey, der Sprecher des "Balai citoyen", und drohte: "Wer das Wort unterdrückt, wird eine noch lautere Woge des Murmelns lostreten."

Burkina Faso Bürgerbewegung Le Balai citoyen (Foto: AFP/Getty Images)
Die Musiker Smockey (l.) und Sams K Le Jah der Bewegung "Bürgerbesen"Bild: Ahmed Ouoba/AFP/Getty Images

Die Angst des Präsidenten

Das harte Vorgehen der Regierung hält Phil Clarke von der Londoner School of Oriental and African Studies für eine Überreaktion des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Kabila, der das Land seit 2001 regiert, sei im Moment besonders verletzlich - sowohl innerhalb seiner eigenen Regierung, die seit langem gespalten sei, als auch im Kabinett schwinde sein Rückhalt. "Die kongolesischen Bürger mögen ihn immer weniger. Sie sehen ihn als autoritär, intolerant gegenüber jedem Widerspruch", so Clarke im DW-Interview. Auch in der Wirtschaft gelte Kabila zunehmend als unberechenbar.

Mit seinem Vorgehen werde Kabila die Kritik aber nicht ersticken können, so Clarke - ganz im Gegenteil: "Wenn überhaupt, wird er die Kritiker noch bestärken. Das hat sich zuletzt immer gezeigt, wenn die Regierung gegen Proteste vorgegangen ist: Am Ende hat sie damit noch mehr Menschen auf die Straße gelockt." Auch international macht sich die Regierung keine Freunde mit ihrem Vorgehen. Am Mittwoch veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen Aufruf an die Regierung, die Gefangenen sofort freizulassen. Am gleichen Tag verkündeten die Aktivisten in Goma bereits einen ersten Erfolg: Dort seien die Demonstranten vom Dienstag bereits wieder frei. Präsident Kabila müsse erkennen, dass man gegen das Ideal der Freiheit nicht gewinnen könne, twitterte ein Aktivist.