Kongos Präsident will weiter regieren
27. Oktober 2015Die Zahlen, die Raymond Mboulou, Innenminister der Republik Kongo, am Dienstagmorgen im Fernsehen verkündet, klingen gut: Beim Referendum am Sonntag habe es eine Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent gegeben, knapp 92 Prozent hätten für die Verfassungsänderung gestimmt. Doch die Opposition spricht von Wahlbetrug. "Die Regierung hat sich die Ergebnisse so zusammengebastelt, dass der Eindruck entsteht, eine große Mehrheit der Kongolesen sei zur Wahl gegangen", sagt Bonaventure Mbaya, Vorsitzender der Partei Convergence Citoyenne.
Boykott durch die Opposition
Das Referendum an sich sei schon illegal gewesen, denn die bis dahin gültige Verfassung sehe gar keine Änderungsmöglichkeiten vor, so Mbaya. Auch deswegen hatte die Opposition geschlossen zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. "Dem sind die Menschen auch weitgehend gefolgt. Nur sehr wenige sind in die Wahllokale gegangen. Nach dem, was wir beobachtet haben, waren das nicht 72 Prozent, sondern vielleicht fünf Prozent der Wahlberechtigten. Und das ist noch sehr großzügig geschätzt", sagt Mbaya im DW-Interview.
Dass offizielle Angaben und Schätzungen der Opposition so weit auseinanderklaffen, sei keine große Überraschung, meint Paul Melly von der Denkfabrik Chatham House in London. "So lief es bei allen Wahlergebnissen im Kongo, seit Sassou-Nguesso in 2002 zum ersten Mal über eine Verfassung abstimmen ließ." Die Regierung spräche regelmäßig von einer sehr hohen Wahlbeteiligung, die Opposition von einer verschwindend geringen. Beim aktuellen Referendum hätten unabhängige Beobachter ebenfalls eine geringe Beteiligung beobachtet, vor allem in den Gebieten, in denen die Opposition großen Rückhalt habe, so Melly.
Die geplanten Verfassungsänderungen hatten bereits in der Woche vor dem Referendum zu Unruhen mit Toten und Verletzten geführt.
Die Verfassung der Republik Kongo - so wie sie 2002 verabschiedet wurde - erlaubt dem Präsidenten nur zwei Amtszeiten; wer älter als 70 Jahre ist, darf nicht kandidieren. Bei den 2016 anstehenden Präsidentschaftswahlen dürfte Sassou-Nguesso deshalb aus zwei Gründen nicht antreten: Er ist bereits 71 Jahre alt, außerdem nähert sich seine zweite Amtszeit seit Inkrafttreten der Verfassung dem Ende.
Alles auf den Präsidenten ausgerichtet
An der Macht ist Sassou-Nguesso sogar schon sehr viel länger: Insgesamt hat Kongos Präsident mehr als 30 Jahre auf dem höchsten Posten des Landes verbracht.
Seine Karriere beginnt in den 1960er Jahren mit der Militärausbildung in Frankreich und dessen damaliger Kolonie Algerien. Danach kehrt Sassou-Nguesso in die Republik Kongo zurück und ist in den späten 1960er Jahren am Umsturz des Präsidenten Alphonse Massamba-Débat und an der Gründung der Kongolesischen Arbeitspartei (PCT) beteiligt. 1979 wird er von der PCT zu ihrem Vorsitzenden und zum Präsidenten des Staates ernannt. "Für etwas mehr als ein Jahrzehnt regierte er das Land als Militärherrscher an der Spitze eines marxistisch-leninistischen Militärregimes mit nur einer Partei", sagt Melly. Wie in anderen sozialistischen Regimen habe die Partei und ihre Struktur damals eine wichtige Rolle gespielt. Doch im Kongo habe sich bereits damals gezeigt, wie stark sich die Macht im Kongo auf Sassou-Nguesso als Individuum konzentriere, so Melly: "In anderen sozialistischen Staaten und Einparteiensystemen, zum Beispiel in China, wird die Führungsriege regelmäßig ausgewechselt. Im Kongo war Sassou-Nguesso jedoch von Anfang an sehr mächtig."
Als Anfang der 1990er Jahre die Menschen in der Republik Kongo und in vielen anderen französischsprachigen Ländern Afrikas mehr Mitbestimmung fordern, erlaubt Sassou-Nguesso 1991 schließlich andere Parteien als seine eigene im Staat. Die Präsidentschaftswahlen im folgenden Jahr verliert er gegen Pascal Lissouba. Wenige Jahre später stürzt das Land in einen blutigen Bürgerkrieg. Mit Unterstützung aus Angola erobern Sassou-Nguesso Truppen schließlich die Macht in Brazzaville. Im Oktober 1997 erklärte sich Sassou-Nguesso zum Präsidenten, 2002 und 2009 wird er im Amt bestätigt.
Signalwirkung für die ganze Region
"Seit er 1997 wieder an die Macht kam, hat Sassou-Nguesso eine Stellung der totalen Dominanz in der Republik Kongo" sagt Melly. Durch die Verfassungsänderung scheint nun der Grundstein dafür gelegt, dass das auch in den kommenden Jahren so bleiben kann.
Der Oppositionspolitiker Bonaventure Mbaya befürchtet, dass das Verhalten von Sassou-Nguesso Schule macht und andere Machthaber in Zentralafrika es ihm gleichtun: "Morgen ist es Herr Kabila in der Demokratischen Republik Kongo, übermorgen Herr Kagame in Ruanda, danach Herr Dos Santos in Angola, danach Herr Obiang Nguema Mbasogo in Äquatorialguinea. In all diesen Ländern sind die Präsidenten am Ende ihrer verfassungsmäßigen Amtszeit angelangt und dürfen nicht noch einmal kandidieren." Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt die Entwicklungen in seinem Land einfach hinnähme, sähen sich andere Langzeitpräsidenten möglicherweise ermutigt. "Dann fürchte ich um die Stabilität in der ganzen Region."
Im ostafrikanischen Burundi ist diese Sorge bereits Realität geworden: Bei den Wahlen im Juli hatte sich Präsident Pierre Nkurunziza ein drittes Mal zum Präsidenten wählen lassen, obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsieht. Seitdem versinkt das Land in Chaos und Gewalt.