Duell im Bundestag
3. September 2013Der Endspurt des Wahlkampfs bestimmte die letzte Debatte der Legislaturperiode. Alle Redner nutzten die Gelegenheit, ihre Positionen zu den verschiedensten Bereichen der Politik noch einmal darzustellen und die Gegner zu kritisieren.
Zur Eröffnung der Debatte zog Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer kämpferischen Rede Bilanz ihrer Arbeit während der letzten vier Jahre. Dabei strich sie vor allem die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt heraus. "Wir haben die höchste Beschäftigung, die wir je hatten", sagte die Kanzlerin. Die schwarz-gelbe Koalition habe in 13 Branchen Mindestlöhne eingeführt und für Verbesserungen bei der Leiharbeit gesorgt. Außerdem habe sie den Anteil älterer Menschen am Arbeitsmarkt verbessert. "Wir werden auf genau diesem Weg weitergehen", versprach Merkel mit Blick auf die nächste Legislaturperiode. Der Opposition warf sie vor, Deutschland schlecht zu reden. "Ich weiß nicht, warum Sie sich nicht freuen können. Das ist übrigens eines Ihrer Probleme, das Sie sich nicht freuen können über die Erfolge. Die Menschen mögen das nicht."
Merkels Rede, wahrscheinlich ihre beste in der zu Ende gehenden Legislaturperiode, wurde mit lang anhaltendem Beifall und Bravo-Rufen aus den Regierungsfraktionen bedacht.
Ein kämpferischer Herausforderer
Auch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhielt lautstarke Unterstützung. Immer wieder wurde seine lebhafte und engagierte Rede von Applaus bei SPD und Grünen unterbrochen. "Sie sind auf ganzer Linie gescheitert", warf er Merkel vor. "Statt Aufbruch gibt es Stillstand. Seit Richtung gibt es Kreisverkehr. Statt Handeln gibt es Beobachten."
Die Kanzlerin habe keinen Gebrauch von ihrer Richtlinienkompetenz gemacht, kritisierte er. Ihr Kabinett sei zerstritten und tatenlos. So habe die Regierung nichts unternommen, um den Niedriglohnsektor einzudämmen und den Investitionsstau, vor allem bei den Kommunen, aufzulösen.
Eine rot-grüne Regierung unter seiner Führung werde daher den flächendeckenden Mindestlohn einführen und die kommunale Finanzlage verbessern. "Dazu werden wir einige Steuern für einige erhöhen", kündigte Steinbrück an. Dies werde aber nur die Bezieher höherer Einkommen treffen, die bisher von den gesellschaftlichen Umwälzungen profitiert hätten.
Scharf wies der SPD-Kanzlerkandidat den Vorwurf Merkels zurück, die SPD sei europapolitisch unzuverlässig. Die Kanzlerin zerstöre mit dieser Aussage Brücken und mache Gemeinsamkeiten in der Europapolitik unmöglich.
Auftritt der Spitzenkandidaten
Auch nach dem Duell der beiden Anwärter auf das Kanzleramt blieb die Debatte scharfzüngig und hitzig. Der FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle warf Steinbrück vor, Wahlkampf unter der Gürtellinie zu betreiben. Der Vorwurf, Merkel habe in der Spähaffäre ihren Amtseid verletzt und Deutschland nicht geschützt, sei völlig daneben, sagte er. Es sei auch peinlich, wenn sich rot-grün als Anwalt der Bürgerrechte aufspiele. Schließlich sei es die rot-grüne Regierung gewesen, die der Einschränkung der Bürgerrechte und der Überwachung den Weg bereitet habe. Scharf griff der FDP-Spitzenkandidat auch die Grünen und ihr Wahlprogramm an. Mit ihrem Vorschlag, einen Vegetariertag einzuführen, wollten sie die Menschen gängeln. "Das ganze grüne Wahlprogramm ist eine Anleitung zum Unglücklichsein", sagte Brüderle unter dem Gelächter seiner Fraktionskollegen. Dort wimmele es von Verboten und Geboten.
Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, ihrerseits warf der schwarz-gelben Koalition vor, in der Sozialpolitik versagt zu haben. "Für diese schwarz-gelbe Bundesregierung ist Deutschland kein Gemeinwesen, sondern eine Lobbyrepublik", sagte sie. Auch bei der Energiewende herrsche Inkompetenz. Die schlechte Umsetzung sei aber offenbar politisch gewollt. "Das ist Konterrevolution bei der Energiewende", so die Politikerin. Dadurch steige der Strompreis zulasten der Verbraucher. Die Zeche dieser Politik zahlten diejenigen, die es sich nicht leisten könnten.
Ausgesprochen kämpferisch war auch die Rede des Linken-Fraktionschefs Gregor Gysi. Er empfahl den Bürgern, ihre Stimme der Linken zu geben, denn sie sei die einzige Partei, die in der letzten Legislaturperiode wirksame Oppositionspolitik betrieben habe. So trete sie dafür ein, dass in der Eurokrise nicht die Banken, sondern die Guthaben der Sparer gerettet werden und die Länder Südeuropas nicht durch die Sparpolitik weiter in die Armut gedrängt würden. Außerdem habe sie sich von Anfang an gegen eine militärische Intervention in Syrien ausgesprochen.
Duell Schäuble-Steinmeier
Finanzminister Wolfgang Schäuble, der die letzte Sitzung der Legislaturperiode nutzte, um seinen ersten Entwurf des Haushalts vorzulegen, wandte sich an den Merkel-Herausforderer Steinbrück. Er zeichne ein Zerrbild der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und habe deshalb auch kein Rezept für die kommenden Jahre. Das Wirtschaftswachstum liege seit 2009 bei real 8 Prozent. Die Einkommen seien in den letzten Jahren um drei Prozent durchschnittlich gestiegen, die Arbeitslosigkeit zurück gegangen. "Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung", sagte er.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier griff Schäuble scharf an. Zu den Erfolgen Deutschlands habe die schwarz-gelbe Regierung nichts beigetragen. Dies gehe allein auf das Konto von Betrieben, Beschäftigten und Gewerkschaften. Die Bundesregierung habe vier Jahre lang geerntet, was andere vor ihr gesät hätten. "Sie schmücken sich mit fremden Federn", schimpfte Steinmeier. Der Bundeskanzlerin warf er vor, in der Europapolitik unnötige Fronten zu eröffnen. "Ich finde uns gegenüber ist das eine Sauerei." Ohne die Unterstützung der SPD hätte Merkel keine Mehrheit für ihre Euro-Rettungspolitik bekommen.
Keine Debatte über Datenskandal
Zu Beginn der Bundestagssondersitzung hatten die Oppositionsparteien gefordert, die Ausspähung der Bürger durch den amerikanischen und den britischen Geheimdienst auf die Tagesordnung zu setzen. Diese Anträge wurden jedoch mit der Mehrheit der Koalitionsabgeordneten zurückgewiesen.