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Europäische Bedenken

Emily Sherwin / db17. Februar 2014

Die EU und die USA planen ein Freihandelsabkommen. Doch die Gespräche werden nicht einfach, denn die Verhandlungspartner sind sich in vielen Fragen nicht einig: Ein Knackpunkt ist zum Beispiel der Genmais.

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Symbolbild Flaggen USA und EU
Bild: Getty Images

Es geht in die nächste Runde: Am Montag (17.02.2014) begannen die Vorbereitungen für die vierte Verhandlungsrunde zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP). EU-Handelskommissar Karel De Gucht und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman bereiten die eigentlichen Gespräche vor, die im März in Brüssel stattfinden sollen.

Das Abkommen würde zum Wegfall von Zöllen und Handelsbeschränkungen zwischen der Europäischen Union und den USA führen, zudem Standards und Genehmigungsverfahren vereinheitlichen. TTIP könne - so schätzt das Münchener ifo-Institut - 400.000 neue Jobs in Europa schaffen. Viele Experten begrüßen die Pläne daher.

Aber bis zu einem fertigen Abkommen ist es noch ein weiter Weg, denn die EU und die USA sind sich in vielen Fragen nicht einig. Zum Beispiel, was genveränderte Lebensmittel betrifft: Der Genmais 1507 aus den USA steht vor einer Anbauzulassung in der EU - obwohl sich 19 Mitgliedstaaten dagegen ausgesprochen haben. Die Entscheidung des europäischen Parlaments ebnet aber den Weg für einen Kompromiss bei einem der wichtigsten Stolpersteine in den TTIP-Verhandlungen, nämlich der gegensätzlichen Haltung der Verbraucher in den USA und der EU zum Thema Gentechnik. Gegner des Handelsabkommens melden sich zunehmend lautstark zu Wort und es dürfte weitere Debatten geben. Beispielsweise über Standards, Verbraucherschutz und Protektionismus - spätestens dann, wenn sich die Verhandlungspartner dem Kleingedruckten zuwenden.

Bedenken in Europa

In der EU braue sich ein Sturm zusammen, meint Jan Techau, Direktor von "Carnegie Europe", einem außenpolitischen Forschungsinstitut in Brüssel. Interessenverbände, NGOs und Umweltgruppen seien "in die Gänge gekommen" und bildeten eine gewaltige Opposition.

Es gebe natürlich viele Bereiche, in denen die USA und die EU uneins sein könnten, so Techau. Die potentiellen Knackpunkte seien aber genau da, wo die Kulturen aufeinanderprallen. "Wenn es echte kulturelle Unterschiede im Verbraucherverhalten, bei Verbraucherschutzvorstellungen und kulturellen Themen gibt, dann geht es nicht nur um Regulierung und rechtliche Fragen, sondern um eine politische Herausforderung." Diese wiederum könnte das Abkommen untergraben.

Genmais
Widerstand gegen Genprodukte in EuropaBild: picture-alliance/dpa

Luisa Santos, Direktorin für Internationale Beziehungen beim europäischen Arbeitgeberverband "Businesseurope", sieht weniger grundlegende Unterschiede zwischen der EU und den USA als Grund für europäische Bedenken, sondern vielmehr ein mangelndes Bewusstsein in der Öffentlichkeit. "Wir müssen die Menschen darüber informieren, welche Auswirkungen dieses Abkommen auf ihren Alltag haben wird", erklärt sie und fügt hinzu, Produkte würden schließlich auch preiswerter, wenn man Zölle streiche. "Davon profitieren die Konsumenten."

Santos gehört zu einer Expertengruppe, die ein breites Spektrum von Interessen vertritt und die Europäische Kommission bei den Handelsgesprächen mit Washington berät. In manchen Punkten werde man Kompromisse schließen müssen, räumt die Direktorin ein. Es stünden sich zwei Handelsmodelle gegenüber, bei denen es eine Reihe von Unterschieden gäbe. "Die große Herausforderung besteht darin, Gemeinsamkeiten zu finden, mit denen beide Seiten zufrieden sind." Im Wirtschaftssektor habe man allerdings längst eine gemeinsame Grundlage, so gebe es viele Investitionen europäischer Firmen in den USA und umgekehrt, so Santos.

Supermarkt Kasse
US produkte würden in Europa billigerBild: picture-alliance/dpa

Pazifik oder Atlantik?

Parallel arbeiten die Amerikaner an einem anderen Wirtschaftsbündnis, das eine noch größere Herausforderung für das transatlantische Abkommen bedeuten könnte: TPP, eine Freihandelszone für Länder im pazifischen Raum - darunter Japan, Neuseeland, Malaysia, Vietnam, Mexico und Peru. Das transpazifische Abkommen dürfte auch ein Thema auf dem Nordamerika-Gipfel am 19. Februar in Mexiko sein. In einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission kommt das "Center for Economic Policy Research" (CEPR) zu dem Schluss, ein Abkommen mit Europa könnte den USA bis 2027 potentiell Zuwächse von 95 Milliarden Euro bescheren, sowie 120 Milliarden Euro für die EU. Mit einem Freihandelsabkommen für den pazifischen Raum könne die USA jährlich 57 Milliarden Euro Steigerung verzeichnen, so die Experten des"Peterson Institute for International Economics."

Ein großes Problem: Der US-Präsident müsse das alles durch den Kongress bringen, so Jan Techau, Direktor von "Carnegie Europe". "Momentan zögert der Kongress aber, solchen Deals zuzustimmen - und zwar sowohl die Republikaner als auch die Demokraten." Wenn sich Barack Obama aber für eines der beiden Abkommen entscheiden müsse, TPP oder TTIP, dann werde er sich wohl für den transpazifischen Deal stark machen, also Asien Europa vorziehen, erklärt der Analyst. "Die innenpolitische Debatte in den USA ist ein Riesenhindernis."

Innenpolitische Hürden

Gegner beider Abkommen argumentieren, mehr Wettbewerb und eine Überflutung des US-Marktes mit billigen Importen könnte Jobs kosten. Und das in Zeiten, in denen sich die amerikanische Öffentlichkeit auf den langsamen, wirtschaftlichen Aufschwung konzentriert. Die Regierung habe dem US-Kongress die beiden Handelsabkommen gebündelt präsentiert, erklärt Luisa Santos - ein Fehler, da sich die Abkommen deutlich unterscheiden würden. TPP sei nicht dasselbe wie TTIP, und auch der Anspruch sei ein anderer. "Das muss man dem US-Kongress klar machen."

Bremerhaven Autoverladung 22.01.2014
TTIP soll Zölle und Hürden für Investitionen abbauenBild: Getty Images

Vom transatlantischen Abkommen TTIP ist Techau jedenfalls fest überzeugt. "Wenn man ein gemeinsames Interesse an Handelsfragen hat, an Standardisierung, Quoten und der Positionierung gegenüber anderen Handelsmächten, dann fängt man plötzlich an, gemeinsam politisch zu handeln."