Kommunalwahl in Polen: erste Bewährungsprobe für Tusk
6. April 2024Eigentlich geht es bei den Kommunalwahlen in Polen an diesem Sonntag (07.04.2024) um lokale Angelegenheiten. Trotzdem ist der Urnengang auch als eine Fortsetzung des politischen Duells zwischen zwei Alphatieren der polnischen Politik anzusehen, zwischen Donald Tusk und Jaroslaw Kaczynski.
Der Chef der liberalen Bürgerplattform (PO), Tusk, hatte nach den Parlamentswahlen im Herbst seinen national-konservativen Erzrivalen von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Kaczynski, von der Macht verdrängt und führt seit dem 13. Dezember 2023 eine Mitte-Links-Regierung an. Der abgewählte Kaczynski gibt sich trotz des Machtverlusts nicht geschlagen. "Wir kämpfen weiter, weil es um Polen geht", sagte er der Wochenzeitung "Sieci". Er wolle nicht als Fahnenflüchtiger gelten und werde sich 2025 erneut um den PiS-Vorsitz bewerben, so der 74-Jährige.
Tusk und Kaczynski mobilisieren ihre Anhänger
Den Erfolg bei der Parlamentswahl verdankte Tusk der für polnische Verhältnisse ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung - knapp 75 Prozent. Deshalb versucht der Regierungschef auch vor der Kommunalwahl, seine Anhänger zu mobilisieren. "Wiederholen wir nicht den aus der polnischen Geschichte bekannten Fehler, dass wir nach gewonnener Schlacht nach Hause und auseinander gehen", sagte er auf einer Wahlveranstaltung in Krakau. "Wenn wir nicht siegen, kann sich der politische Trend umdrehen." Er rief seine Anhänger auf, sich an der Kommunalwahl zu beteiligen und das liberale Lager zu stärken.
Doch auch Kaczynski griff in den Wahlkampf ein und versuchte, die PiS-Anhänger mit seiner aus der Vergangenheit bekannten antideutschen Rhetorik zu überzeugen. Auf einer Wahlveranstaltung in Warschau sagte er: "Die Option der deutschen Interessen wird sehr gründlich durch Donald Tusk verwirklicht." Er nannte in diesem Zusammenhang den Verzicht auf Kriegsentschädigungen, Kompromisse beim Ausbau der Oder und angebliche Abstriche beim Atomprogramm. Schon vor den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr hatte er die antideutsche Karte gezogen und Tusk wiederholt beschuldigt, deutsche Interessen über polnische zu stellen.
Präsident Duda macht Tusk das Regieren schwer
Für Tusk erwiesen sich die ersten Monate des Regierens als ein Hürdenlauf. Die abgewählte PiS hat überall Fallen aufgestellt, um eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit zu erschweren. Im Zentrum der Abwehrfront gegen die neue Regierung steht Präsident Andrzej Duda. Er hatte zunächst die Amtsübernahme durch Tusk um zwei Monate hinausgezögert, um ihm dann überall, wo es nur geht, Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Und der Koalition fehlen die Stimmen zur 60-Prozent-Mehrheit, die notwendig wäre, um das Veto des Staatsoberhauptes zu überstimmen.
Das jüngste Beispiel: Am Karfreitag legte Duda sein Veto gegen ein Gesetz ein, das den rezeptfreien Zugang zur "Pille danach" für alle Frauen ab 15 Jahren ermöglichen sollte. Bei seinen Blockadeaktionen kann der Präsident jederzeit mit der Unterstützung des Verfassungsgerichts rechnen, das aus PiS-treuen Richtern besteht. Die Regierung muss dann auf Verordnungen zurückgreifen, um das Veto zu umgehen und wenigstens einen Teil der angekündigten Reformen zu retten.
Wahlversprechen nicht erfüllt - Wähler enttäuscht
Die angekündigte Erfüllung von hundert Wahlversprechen in den ersten hundert Tagen erwies sich in dieser Situation als unrealistisch. Wegen der schlechten Finanzlage wurden zum Beispiel in Aussicht gestellte Steuererleichterungen auf später verschoben. Zudem erbte Tusk von der Vorgängerregierung den Konflikt mit den Landwirten, die gegen Lebensmittelimporte aus der Ukraine und den "Green Deal" der EU protestierten. Obwohl es dem Premier gelungen ist, einige Forderungen zu erfüllen, setzen radikale Bauern die Straßenblockaden fort. Anfang April besetzten sie das Landwirtschaftsministerium.
Noch komplizierter ist die Situation im Justizwesen, wo die von der PiS-Regierung ernannten Richter und Staatsanwälte erbitterten Widerstand gegen ihre Entmachtung leisten. Die Ergebnisse der Arbeit der parlamentarischen Untersuchungskommissionen bleiben vorerst bescheiden. Bei der Befragung zur angeblichen Verwendung des Spionagesystems Pegasus gegen Politiker der damaligen Opposition konnte Kaczynski sogar politisch punkten. Er trat ruhig und kompetent auf und verweigerte die Aussage mit juristisch untermauerter Begründung. Die Kommissionsmitglieder erwiesen sich dagegen als machtlos.
Koalition streitet über die Abtreibung
Doch nicht nur die PiS macht Tusk das Regieren schwer.Auch in seiner Koalition zeigen sich Risse, etwa in der Frage des Abtreibungsrechts. Während seine eigene Partei und die Linke für das Recht der Frauen auf Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche plädieren, will der Koalitionspartner Dritte Weg zunächst eine Rückkehr zum alten Kompromiss von vor 2020. Er erlaubte den Frauen, die Schwangerschaft abzubrechen, auch im Fall eines missgebildeten Fötus. Später sollen dann die Bürger in einem Referendum über die endgültige Form des Abtreibungsgesetzes entscheiden.
Abgeordnete der Neuen Linken und des Dritten Weges beschimpften sich vor laufender Kamera als Lügner. Nun sollen die Gesetzentwürfe über die Liberalisierung der Abtreibungsvorschriften am 11. April, nach der ersten Runde der Kommunalwahl, im Parlament behandelt werden.
Verliert PiS ihre Hochburgen im Südosten?
Doch auch für Kaczynski und die PiS ist die Kommunalwahl ein Stimmungsbarometer. Es geht vor allem um die Mehrheiten in den 16 lokalen Parlamenten. 2018 haben KO und PiS je acht Parlamente gewonnen. Jetzt gilt für Kaczynskis Partei nur noch die Woiwodschaft (Verwaltungsbezirk) Podkarpackie im Südosten als sicher. In fünf weiteren Woiwodschaften stehen die Chancen fifty-fifty. Den Rest wird laut Umfragen Tusks Koalition erobern. Großstädte wie Warschau, Danzig, Posen oder Lodz gelten sowieso als Hochburgen der liberalen Kräfte. Nur in Krakau kann es für sie knapp werden.
Eine Niederlage der PiS im Südosten des Landes - einer Region, die Kaczynski als seine konservative Festung betrachtet, könnte die Stimmung in der angeschlagenen Partei noch weiter drücken und eine Debatte um den Parteichef auslösen. Denn die PiS würde tausende lukrative Stellen in den lokalen Ämtern und kommunalen Unternehmen verlieren.
Der PiS-Abgeordnete und Ex-Landwirtschaftsminister Jan Krzysztof Ardanowski prophezeit, dass seine Partei die Wahl am Sonntag verliert. Als Grund nannte er die Unfähigkeit der Nationalkonservativen, Koalitionen zu bilden. Nur der Austausch des Parteichefs könnte die Situation in der Zukunft verbessern. Ob seine Voraussage zutrifft, wird sich endgültig erst nach der zweiten Runde der Kommunalwahl am 21. April zeigen.