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Wie dumm kann man sein?

23. Juni 2020

Die Corona-Infektion von Novak Djokovic überrascht nach den positiven Fällen seiner Kollegen nicht. Erschütternd ist allerdings, wie naiv die Nummer eins der Tennis-Welt sich verhalten hat, meint Andreas Sten-Ziemons.

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Tennis | US Open 2019 | Novak Djokovic
Bild: Reuters/USA Today Sports/R. Deutsch

Eine Sache vorneweg: Selbstverständlich verbietet sich im Angesicht einer Coronavirus-Infektion jegliche Schadenfreude. Und es ist zu hoffen, dass alle, die sich im Umfeld der von Novak Djokovic organisierten Adria Tour mit COVID-19 infiziert haben, schadlos bleiben und bald wieder völlig gesund sind.

Eine Frage sei aber erlaubt: Wie naiv und dumm kann man eigentlich sein? Da lädt die Nummer eins der Tennis-Welt zu einer netten, kleinen Turnierserie mit Spielorten in Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina ein. Während die anderen, regulären Turniere der ATP-Tour noch in der Zwangspause sind, will Djokovic mit einigen befreundeten Profis Matchpraxis sammeln, die Form wieder aufbauen, außerdem Spenden einnehmen - und einfach eine gute Zeit haben.

Schlaraffenland für Coronaviren

Und die hatte er, auch weil er auf sämtliche Anti-Corona-Hygienemaßnahmen arrogant verzichtete. Auf den Tribünen saßen die Zuschauer dicht an dicht, auch ohne Mundschutz. Die Spieler umarmten sich, posierten - wieder ohne Mundschutz - mit Gruppen von Kindern für Fotos, schrieben in Menschentrauben Autogramme und gingen dann abends auch noch gemeinsam feiern. Allerdings nicht irgendwie, sondern in einem Club, mit hunderten Leuten. Es wurde laut gesungen und eng getanzt, teilweise mit nackten Oberkörpern. Warme Luft, geschlossener Raum, Schweiß, Speicheltröpfchen, Aerosole - kurz gesagt: ein Schlaraffenland für Coronaviren. Den Tennisprofis um Djokovic war es offenbar egal, oder sie waren einfach zu dumm, zu verstehen, welcher Gefahr sie sich aussetzten.

Kommentarbild von Andreas Sten-Ziemons
Andreas Sten-ZiemonsBild: Slawa Smagin

"Alles, was wir im vergangenen Monat gemacht haben, passierte mit reinem Herzen und ernsthaften Absichten", schreibt Djokovic auf seiner Internetseite über seine Tour und verweist darauf, dass alle Maßnahmen mit den Behörden abgestimmt gewesen seien. Doch damit macht der Serbe es sich viel zu einfach. Niemand, der die Nachrichtenlage auch nur ansatzweise mitverfolgt hat, kann so blauäugig an die Organisation eines Sportevents herangehen, schon gar nicht, wenn er im Zweifelsfall die Verantwortung tragen muss.

Doch von Verantwortung hat Djokovic offenbar noch nie etwas gehört, und seine Rolle als Vorbild hat er verwirkt. Schon zuvor war er - als Präsident des Spielerrats der ATP immerhin eine Art Klassensprecher der Tennisprofis - damit aufgefallen, dass er die angekündigten Corona-Maßnahmen bei den US Open, die Anfang September in New York stattfinden sollen, als zu restriktiv und übertrieben abgekanzelt hatte. Ob er es mit den Hygienemaßnahmen bei seinem eigenen Turnier an der Adria vielleicht ein bisschen mehr hätte übertreiben sollen, kann er sich jetzt in den 14 Tagen seiner häuslichen Quarantäne ja mal in Ruhe überlegen. Aber wie gesagt: keine Häme!

Folgen für andere Events?

Allerdings könnte das Djokovic-Desaster an der Adria neben den möglichen gesundheitlichen Folgen für Spieler, Zuschauer, alle anderen Beteiligten sowie jeweils deren engstem Umfeld und Familien, auch noch andere Konsequenzen haben: Viele Organisatoren weiterer Sport-Großveranstaltungen, die in diesem Jahr noch stattfinden sollen, werden sich im stillen Kämmerlein die Haare gerauft haben, dass Djokovic das "zarte Pflänzchen der Lockerungen" so mit dem Bulldozer plattwalzt. Wie ist beispielsweise angesichts der Folgen der Adria-Tour eine Tour de France mit Zuschauern noch denkbar? Oder andere Veranstaltungen, bei denen ein Absperren der Wettkampfstätte schwierig ist? Besteht nicht die Gefahr, dass die Behörden in anderen Ländern nun eher ein Verbot aussprechen, als ein Großereignis zu gestatten?

Vielleicht waren einige Veranstalter aber auch ganz froh, dass Novak Djokovic bei der Adria-Tour mit seinen laxen Hygienemaßnahmen als Organisator eine krachende Bauchlandung erlebt hat. Weil sie jetzt wissen, wie sie es nicht machen sollten. Denn auch wenn man gar nichts kann - als abschreckendes Beispiel kann man immer dienen.