Adria Tour: Djokovics Desaster
23. Juni 2020Die vom Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic veranstaltete Adria-Tour ist endgültig ein Desaster für die Tennis-Welt und ein riesiger Imageschaden für den Serben selbst. Aber nicht nur das: Nach dem Kroaten Borna Coric und dem Bulgaren Grigor Dimitrov, die sich während der Adria-Tour infiziert hatten, wurde am Dienstag zunächst der positive Test von Djokovics Landsmann Viktor Troicki bekannt, ehe die Nr. 1 der Weltrangliste selbst bestätigte, positiv getestet worden zu sein. Djokovic, der Kritik für die völlig sorglose Art und Weise der Durchführung der Adria-Tour noch mit den Worten, manch einer wisse eben "nicht genau über andere Länder Bescheid", abgetan hatte, gerät damit endgültig in Erklärungsnot und könnte den gesamten Tennis-Sport mit seinem Showevent um Monate zurückwerfen.
Djokovic in Quarantäne
"Ich werde mich nun für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben und den Test in fünf Tagen wiederholen”, heißt es in einem Statement, das in den sozialen Medien geteilt wurde. Auch Djokovics Frau Jelena sei demnach positiv getestet worden, die gemeinsamen Kinder jedoch negativ. Djokovic gab an, bisher keine typischen Symptome der Krankheit COVID-19 zu spüren.
Djokovic's Landsmann Troicki ging es ähnlich. Er sagte der serbischen Nachrichtenagentur Telegraf am Montagabend, das Virus sei am vergangenen Freitag zunächst bei seiner Ehefrau festgestellt worden. Seine Tochter und er hätten sich dann am Sonntag testen lassen. Zu diesem Zeitpunkt gastierte die Adria-Tour im kroatischen Zadar, allerdings ohne Troicki. Eine Woche zuvor hatte der 34-Jährige einstige Weltranglisten-Zwölfte allerdings in Belgrad gespielt. Dort verlor er gegen die deutsche Nummer 1, Alexander Zverev, der danach auch in Zadar angetreten war.
Zverev in Quarantäne
Am Montag hatte Zverev bekannt gegeben, dass sowohl er als auch Mitglieder seines Trainerteams allesamt negativ getestet wurden. Er wolle sich aber bei allen entschuldigen, die "ich möglicherweise mit meiner Teilnahme bei dieser Tour in Gefahr gebracht habe", schrieb Zverev bei Instagram. "Ich werde mich an die Selbstisolationsrichtlinien halten, die von unseren Ärzten empfohlen werden. Als weitere Vorsichtsmaßnahme werden mein Team und ich regelmäßig getestet."
Damit ist Zverev trotz negativem Test einer der Tennis-Profis, die in Folge der Adria-Tour zunächst in Quarantäne gehen - wenn auch in seinem Fall freiwillig. Für das Durchführen der Tour ernteten die Profis allerdings weltweit Kritik - allen voran natürlich Organisator Djokovic. Volle Stadien in Belgrad, fehlende Einhalten von Abständen bei Zuschauern und Spielern. Die Gruppenbilder mit Djokovic, Zverev, Dominic Thiem & Co. sorgten für Empörung, anschließend veröffentlichte Djokovic ein Bild von einer Partynacht der Tennis-Profis, das den sorglosen Umgang mit sämtlichen Pandemie-Regeln schonungslos offenlegte. Der Serbe betonte zwar, es sei nicht "gegen örtliche Hygieneregeln verstoßen" worden, doch aus der Tennis-Welt gibt es deutliche Kritik.
"Absolute Katastrophe"
"Auch wenn es gute Freunde und Bekannte sind, die man einfach gerne in den Arm nimmt, kann man sich nicht so begrüßen und körperliche Nähe herstellen. Dann werden noch Autogramme unter Hunderten von Zuschauern und Ballkindern gegeben und es wird in der Disco mit freiem Oberkörper Schulter an Schulter getanzt. Das sind alles Dinge, die eine Ansteckung provozieren", sagte Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner im DW-Interview. "Ich kann ja nicht meinen eigenen Verstand ausschalten und mich nicht an vorgegebene Regeln halten, sondern jeder Mensch hat eine Eigenverantwortung. Eigenverantwortung. Novak Djokovic hat als Nummer eins der Welt und Spielersprecher ja auch noch eine zusätzliche Vorbildfunktion, der er mitnichten nachgekommen ist. Ich finde es wie gesagt arrogant und ignorant, wenn sich große Teile vom Rest der Welt darum bemühen, durch Abstandsregeln das Virus so gut es eben geht unter Kontrolle zu halten", so Rittner weiter.
Harsche Kritik an Djokovic und der Adria-Tour hatte zuvor auch Dirk Hordorff geäußert: "Wie soll ich einem Jugendlichen erklären, dass er Abstand halten und sich die Hände waschen soll, wenn Djokovic Ringelpiez mit Anfassen spielt? Das ist ein katastrophales Bild", sagte der Vizepräsident des Deutschen Tennis Bund (DTB). "Es geht nicht nur um die Spieler, es waren 100 Jugendliche in Kontakt mit ihnen. Wenn es kaum Regeln gibt und alles stolz per Video gezeigt wird, dann macht mich das fassungslos."
Impfkritiker Djokovic
Ohnehin fällt Djokovic seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder mit eigenen Positionen auf, wenn es um den Umgang mit dem Virus und Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie geht. "Ich persönlich bin gegen eine Impfung und möchte nicht von jemandem gezwungen werden, einen Impfstoff zu nehmen, um reisen zu können", hatte der Serbe im April gesagt. Er deutete weiter Zweifel an sollte es in der Zukunft einen Impfstoff geben: "Aber wenn es obligatorisch wird, was wird dann geschehen? Ich werde eine Entscheidung treffen müssen. Ich habe meine eigenen Gedanken zu der Angelegenheit, und ob sich diese Gedanken irgendwann ändern werden, weiß ich nicht."
Djokovic-Rivale Rafael Nadal hatte daraufhin der spanischen Tageszeitung "La Voz de Galizia" gesagt: "Wenn die Tour eine Impfung zum Schutz aller vorschreibt, dann muss Djokovic geimpft werden, wenn er wieder auf höchstem Niveau Tennis spielen will." Djokovic räumt ein, dass er "verstehe, dass unmittelbar nach Ende der strengen Quarantäne ein Impfstoff erforderlich wird, wenn die Saison im Juli, August oder September wieder aufgenommen werden sollte", was aus seiner damaligen Sicht aber "unwahrscheinlich" war.
"Die Saison wird offiziell wieder beginnen, wenn alle zu 100 Prozent sicher sind, dass die Menschen zurückkehren können, es kein Risiko gibt und die Menschen gegen das Virus resistent sind. Das braucht Zeit", hatte Djokovic seinerzeit prognostiziert. Dann kam alles anders mit seiner Adria-Tour, bei der das Finale zwischen ihm und Andrej Rublev aus Russland dann "aus Sicherheitsgründen" doch abgesagt wurde.
dv/jw (mit sid, dpa)