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Tut endlich was!

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
5. September 2015

Nach zwei Tagen gehen die EU-Außenminister auseinander - zerstritten und ratlos: Die Flüchtlingskrise bleibt ungelöst. Angesichts der aktuellen Bilder ist die Untätigkeit zunehmend unerträglich, findet Barbara Wesel.

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Familienbild bei EU-Außenministertreffen in Luxemburg - Foto: Julien Warnand (EPA)
Bild: picture alliance/dpa/J. Warnand

Wenn Diplomaten sagen: "Die Debatte war kontrovers", dann ist klar, dass sich die Teilnehmer gestritten haben bis die Wände wackeln. Das Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg war wohl einfach eine weitere Zeitverschwendung. Immerhin sind die Frontlinien zwischen einer Mehrheit der osteuropäischen und westeuropäischen EU-Mitgliedsländer jetzt klar: Anders als von Frankreich und Deutschland gefordert, lehnen Tschechien, Polen und andere osteuropäische Staaten eine verpflichtende Quote zur Umverteilung von Flüchtlingen rundheraus ab.

Sie betonen stattdessen, Europa müsse alles tun, um seine Außengrenzen besser zu bewachen, damit nicht mehr so viele Flüchtlinge zu uns kommen. Ihre Prioritäten liegen in der Innenpolitik: Hier und dort wird bald gewählt, die eigene Bevölkerung lehnt angeblich Migranten ab, die Wirtschaft schwächelt - sogar mit möglicherweise flüchtenden Ukrainern wird argumentiert. Es gibt viele Ausreden. Die Übelste darunter ist der nackte Nationalismus der ungarischen Regierung und, schlimmer noch, dass sie und einige Sympathisanten den alten "Kampf der Kulturen" zwischen Christentum und Islam wieder aus der Kiste holen.

Barbara Wesel - Foto: DW
DW-Korrespondentin Barbara Wesel

Es kann doch nicht wahr sein, dass wir jetzt ins 16. Jahrhundert zurückfallen, in den Kampf Europas gegen die Türken vor Wien, oder die Ideologien des europäischen Faschismus aus jüngerer Vergangenheit wiederauferstehen. Was insbesondere den ungarischen Regierungschef und seine Beschwörung eines "christlichen Europas" angeht, müssen wir Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn für den abschließenden Satz danken: "Wenn Viktor Orban ein Christ ist, dann ist Kim Il Sung auch einer." Das musste mal gesagt werden.

Europa muss handeln statt reden!

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier benannte in Luxemburg noch einmal das Dilemma, in dem sich die Europäische Union befindet: Wenn wir die Grenzen dichtmachen, verraten wir europäische Werte. Wenn wir aber darauf verzichten, Migration zu managen, verlieren wir die Zustimmung der Menschen. Eine gesamteuropäische Lösung des Problems muss beide Aspekte berücksichtigen, ganz klar. Und so werden jetzt auch neue Ministertreffen gefordert und ein Gipfel der Regierungschefs schon in vier Wochen, um die Entscheidungsfindung voranzubringen. Die EU-Mitgliedsländer flüchten sich in das, was sie am besten können: Sitzungen abhalten.

Aber Bilder von ertrunkenen Kindern am Strand, von Schlepperfahrzeugen, die zu Todesfallen wurden, von Menschenströmen auf der Autobahn, von Flüchtlingen, die über Zäune klettern und sich an fahrende Züge klammern oder auf griechischen Inseln tagelang in der Sonne auf Hilfe warten - diese Bilder zeigen doch deutlich: Was wir jetzt brauchen, ist direktes, konkretes Handeln und nicht weiteres wochen- und monatelanges Gerede.

Natürlich soll man gleichzeitig über eine langfristige Lösung des Problems verhandeln, aber unmittelbar muss Europa endlich helfen: In zwei Monaten beginnt die kalte Jahreszeit, bis dahin müssen Zeltlager winterfest und Unterkünfte gebaut, Verpflegung und Betreuung organisiert sein. Wir brauchen Feldküchen, Übersetzer, Ärzte, Grenzbeamte, Sozialarbeiter - alles fachkundige Personal, das wir auftreiben können. Wir haben Hilfswerke, Soldaten und Katastrophenspezialisten, die auch organisationsschwachen Ländern wie Griechenland oder Mazedonien unter die Arme greifen können. Das sind die praktischen, unmittelbaren Aufgaben, die jetzt zu lösen sind. Die EU-Kommission in Brüssel und handlungsfähige Regierungen in Berlin, Paris oder Rom müssen jetzt Führungsfähigkeit zeigen, um eine größere humanitäre Katastrophe im Winter zu verhindern.

Die Fluchtursachen sind politische Realität

Der Satz "Wir müssen die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen" gehört inzwischen zum Standardrepertoire der EU-Treffen und ist Teil aller Lösungsvorschläge. Er ist Augenwischerei und sollte einfach gestrichen werden, denn die Behauptung ist schlichtweg zynisch. Wer beendet den mörderischen Bürgerkrieg in Syrien, vertreibt die IS-Terroristen aus dem Irak, macht der brutalen Diktatur in Eritrea ein Ende, schafft Frieden im Sudan und eine politische Ordnung in Afghanistan? Von dort kommt dieser Tage die Masse der genuinen Flüchtlinge.

Da gab es in der Vergangenheit manche verpasste Gelegenheit, aber derzeit melden sich unter Europas Regierungen keine Freiwilligen, die sich in akuter Konfliktlösung engagieren wollen. Hört also auf, so zu tun, als ob die Ursachen dieser größten Migrationswelle seit dem Zweiten Weltkrieg zu beseitigen wären. Wir können nicht mehr tun als alle Kraft dafür einsetzen, mit ihr umzugehen.