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Politik

Seehofer muss zurücktreten

12. Juli 2018

Der zynische Kommentar von Minister Seehofer zur Abschiebung von 69 Afghanen ging nach hinten los. Damit lieferte der Mann aus Bayern eine Steilvorlage für das Ende seiner politischen Karriere, meint Rosalia Romaniec.

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Deutschland Seehofer präsentiert seinen Masterplan Migration in Berlin
Bild: Reuters/H. Hanschke

Es war ein kurzer Freudenmoment für Horst Seehofer. Am Dienstag hat der Minister endlich seinen sogenannten "Masterplan Migration" der Öffentlichkeit präsentiert. 63 Ideen für einen schärferen Kurs gegenüber Flüchtlingen. Nicht nur das. Er meldete auch einen weiteren "Erfolg": An seinem 69. Geburtstag - Anfang Juli - seien 69 Afghanen abgeschoben worden, verkündete er stolz in einer Pressekonferenz. Das war geschmacklos und zynisch.

Kaum 24 Stunden später holten die Geister, die der Minister der christlich-sozialen Union rief, ihn wieder ein: Einer der Abgeschobenen beging Selbstmord in einer Übergangsunterkunft in Kabul. Jamal Nasser Mahmoudi, 23 Jahre alt, erhängte sich. 

Eines sei vorweg gesagt: Ein Schritt der Verzweiflung, wie es ein Selbstmord ist, kann niemandem angelastet werden. Wenn Menschen keinen anderen Ausweg sehen, als sich aus dem Leben zu verabschieden, ist es immer eine komplexe Tragödie. So war es wohl auch im Fall des jungen Afghanen. Und sein Freitod wird auch den deutschen Innenminister nicht kalt lassen, egal, wie sehr er sich gerade noch über seinen "Abschiebe-Erfolg" freute. 

Deutsche Welle Rosalia Romaniec Portrait
Rosalia Romaniec leitet die Redaktion PolitikBild: DW/B. Geilert

Der Zeitpunkt aber, an dem sich Jamal Nasser Mahmoudi das Leben nahm, macht sein persönliches Drama zu einem politischen, gar einem symbolischen Akt. Vielleicht eine Zäsur in der aktuellen Flüchtlingsdebatte in Europa. Das Momentum erinnert alle unweigerlich daran, worüber wir eigentlich streiten: über menschliche Schicksale. Das ist seit langem in den Hintergrund geraten. Drei Jahre, nachdem Deutschland für seine Willkommenskultur gefeiert wurde, stehen heute mehr Zahlen und Herkunftsländer im Vordergrund, als die Menschen, die sich auf den Weg machen, und die Ursachen ihrer Flucht.

Er hat ein Tabu gebrochen

Dass sich die Schwerpunkte in dieser Diskussion gerade so verschoben haben, hat mehrere Gründe. Da sind die vielen nicht gelösten Probleme seit der großen Flüchtlingsbewegung und sicherlich auch einige Asylbewerber, die die Gastfreundschaft missbraucht haben. Dass so etwas auch den Unmut in der Gesellschaft provoziert, ist verständlich. Dass die Politiker einer Regierungspartei diese Stimmung aber mit anheizen, war bisher in Deutschland ein Tabu.

Horst Seehofer hat dieses Tabu gebrochen. Die Kollateralschäden hat er billigend oder gar gewollt in Kauf genommen. Mit seinem harten Kurs und seiner zynischen Rhetorik hat er nicht nur einen politischen Sturm in Deutschland verursacht, sondern maßgeblich mitverantwortet, dass sich die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Deutschland ändert. Die Abstumpfung gegenüber den Schicksalen der Geflüchteten nimmt zu, die Hilfsbereitschaft eher ab. Politiker, wie der (noch) amtierende Innenminister, bringen das Land zunehmend dazu, an der Richtigkeit seiner Hilfeleistung zu zweifeln.

Das ist bedauernswert. Der Freitod von Jamal Nasser Mahmoudi macht das sichtbar. So wie 2015 das Bild des kleinen Ailan, dessen toter Körper an der türkischen Küste angespült wurde. Seehofer ist nicht für den Tod von Flüchtlingen verantwortlich. Sehr wohl aber für die Stimmung in der Gesellschaft. Als Spitzenpolitiker einer christlichen Partei darf er sie nicht vergiften. Er muss schnell zurücktreten.

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