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Gomringer muss bleiben!

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Gero Schließ
26. Januar 2018

An der Fassade der Berliner Alice-Salomon-Hochschule soll ein Gedicht wegen angeblichen Sexismus entfernt werden. Ein Verstoß gegen die Kunstfreiheit und eine Eselei in der #MeToo-Debatte, kritisiert Gero Schließ.

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Deutschland - Alice Salomon Hochschule Berlin mit Gedicht von Eugen Gomringer
Bild: picture-alliance/dpa/ASH Berlin/D. v. Becker

Irre, irrer, am irresten: Eine deutsche Hochschule schießt in der weltweiten Sexismus-Debatte gerade den Vogel ab. Und noch schlimmer: Gleichzeitig beschädigt sie damit auch noch das hohe Gut der Kunstfreiheit.

Worum es geht: Die Welt diskutiert #MeToo, beklagt Sexismus, sexuelle Gewalt und traumatisierte Opfer. Und im ersten großen Sexismus-Fall in Deutschland bezichtigen Frauen den prominenten Regisseur Dieter Wedel der sexuellen Gewalt. Das alles verdient Gehör und ist von hoher Dringlichkeit. 

Sexismus-Furor deutscher Studenten

Doch dann das: "Avenidas", ein unschuldiges Gedicht des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer über Blumen, Frauen und einen Bewunderer soll dem Sexismus-Furor deutscher Studenten zum Opfer fallen. Seit 2011 fristete es ein friedliches Dasein auf der Fassade der Berliner Alice Salomon-Hochschule, die es zuvor mit ihrem Literaturpreis ausgezeichnet hatte. Jetzt aber soll das Gedicht wegen angeblichem Sexismus übermalt und durch unverdächtige Zeilen einer anderen Lyrikerin ersetzt werden: Auf Betreiben der Studentenvertretung und nach Beschluss des Hochschulsenats.

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Gero Schließ ist Kultur-Korrespondent in Berlin

Es ist dieser Gedichttext Gomringers, der die Studentengemüter erregt und die Hochschulleitung hat umfallen lassen:

Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen und / ein Bewunderer.

Eugen Gomringer gilt als der Erfinder der Konkreten Poesie. Nicht der Inhalt der Sprache interessiert ihn in erster Linie, sondern die anschauliche Verknüpfung einzelner Wörter.

Und so muss man Gomringers Gedicht wohl auch lesen. Jedenfalls nicht als Sachtext über "einen Mann, der auf die Straße schaut und Blumen und Frauen bewundert", wie es die simplifizierenden Studentenvertreter missverstehen.

Und selbst dann: Worin soll der Tatbestand des Sexismus bestehen? Dass ein Mann Blumen bewundert, oder Frauen, oder beides? Oder sind in den Augen der tugendträchtigen Studenten eher Männer die Opfer von Gomringers Sexismus, weil sie eben nicht in den Genuss der Blumen des Bewunderers kommen?    

Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie

Der 93-jährige Gomringer hat das Verhalten der Hochschule zu Recht als "Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie" kritisiert. Von einem "erschreckenden Akt von Kulturbarbarei" sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Sie warnte richtigerweise davor, das Grundrecht auf Kunstfreiheit "durch vermeintliche political correctness zu unterhöhlen". Sie hätte noch weiter gehen können. Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" und ihre Unterstützer fühlen sich nun wieder einmal bestätigt in ihrer Beschwörung einer linken Meinungsdiktatur. Dem darf kein Vorschub geleistet werden.

Auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) hat inzwischen klare Worte gefunden und hält den Vorwurf des Sexismus in Gomringers Gedicht für absurd. Vielleicht sollten er und Grütters einmal die Hochschule aufsuchen und mit Studenten und Hochschulleitung Klartext reden - ihnen vor Augen führen, dass in der deutschen Geschichte schon einmal das Ende der Kunstfreiheit der Anfang vom Ende aller Freiheiten war. 

Angesichts der Schwere des Schadens fällt es weniger ins Gewicht, dass die Überpinselung des Gedichtes der bisher wohl irreste Beitrag aus deutschen Landen zur internationalen Sexismus-Debatte ist. Eine Eselei, die dem berechtigten Anliegen schadet und nicht nutzt. Deswegen: Schluss mit diesem Irrsinn im Doppelpack! Geht noch einmal in euch! Und bis dahin: Hände weg vom Pinsel.

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