Russische Hasardeure
22. August 2014Russland schert sich nicht mehr um internationale Spielregeln. Mitten in der laufenden Zollabfertigung und vor dem Hintergrund zahlreicher internationaler Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts hat Russland seinen Hilfskonvoi für die Rebellengebiete auf ukrainischem Territorium in Marsch gesetzt. Ukrainische Grenzbeamte wurden kurzerhand von russischen Soldaten abgedrängt. Sogar Vertreter des Roten Kreuzes, die den Konvoi begleiten und kontrollieren sollten, wurden ignoriert.
Völkerrechtlich ist das ein klarer Verstoß gegen alle geltenden Regeln. Russland respektiert Staatsgrenzen in Europa nicht mehr. Das wurde bereits auf der Krim deutlich. Inzwischen ignoriert der Kreml sogar schon Vereinbarungen, die er gerade noch selbst getroffen hat. Russland befand sich in einem Dialog mit der Ukraine und dem Roten Kreuz. Doch das interessiert den Kreml jetzt nicht mehr, eine große und renommierte Hilfsorganisation wie das Rote Kreuz wird einfach beiseite geschoben.
Schlechtes Omen für Minsk
Politisch ist die Bewertung klar: So agiert ein Hasardeur, der ohne jede Rücksicht und mit großem Risiko für alle Beteiligten vorgeht. Am Samstag (23.08.2014) will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kiew für eine friedliche Lösung in dem Konflikt einsetzen. Und schon in wenigen Tagen wollen Russland, die Ukraine, die Europäische Union und andere Staaten in der weißrussischen Hauptstadt Minsk einen neuen Versuch zur Entschärfung des Konfliktes um die Ostukraine unternehmen. Auch die Frage der internationalen Hilfe steht bei den Treffen auf der Tagesordnung. Doch jetzt prescht Russland erneut vor und zeigt damit, wie wenig Rücksicht es auf laufende diplomatische Bemühungen nimmt. Es muss der Eindruck entstehen, dass Russland nicht an einer Entspannung der Lage interessiert ist. Das ist ein denkbar schlechtes Omen für die Gespräche in Minsk und auch für den Besuch Merkels in Kiew.
Trotz des Eklats reagierte die Ukraine bislang besonnen. Mit dem Begriff "Invasion" wählte sie zwar ein scharfes Wort gegen Moskau, aber sie hat auch angekündigt, nichts gegen den Konvoi zu unternehmen. Die Separatisten werden die Lastwagen nun in Empfang nehmen. Und für sie ist die Hilfe aus Moskau gedacht. Hoffentlich geben diese Leute die Ladung tatsächlich an alle Menschen in der Region weiter - und nicht nur an ihre Entourage. Denn eine internationale Kontrolle bei der Verteilung ist nun leider nicht mehr möglich. Und das war wohl weder von den Kämpfern in der Ostukraine noch von Russland gewünscht.
Ein Konvoi als Inszenierung
Von Anfang an war dieser Konvoi eine große Inszenierung. Als gäbe es keine russischen Städte in der Nähe der Ukraine fuhren die Lastwagen aus der Umgebung von Moskau durch halb Russland. Tagelang filmten russische TV-Teams den Konvoi auf der Straße. Dann stand er an der Grenze. Die Ukraine und das Rote Kreuz wollten und mussten verständlicherweise den Inhalt der Ladung kontrollieren. Und es dauerte, bis Russland Einblick in den Laderaum ermöglichte. Zudem fuhren die LKWs nicht zu dem vereinbarten Grenzübergang bei Charkiw, sondern an einen Ort, an dem keine reguläre Güterabfertigung möglich ist, den aber die Separatisten auf ukrainischer Seite kontrollieren.
Wer Menschen helfen will, der organisiert diese Hilfe schnell und er bindet alle Seiten umfassend ein. Moskau hat in dieser Sache nur das Gegenteil getan. Der Hilfskonvoi diente und dient noch immer als Instrument der Propaganda. Die Botschaft dabei ist klar: Böse Ukrainer blockieren Hilfe von guten Russen. Dabei leugnet Russland, dass jeden Tag russische Waffen und Kämpfer über die Grenze in die Ukraine gelangen. Auch der Konvoi ist schließlich auf demselben Weg jetzt ungehindert in die Ukraine eingedrungen. Zynischer lässt sich Hilfe nicht inszenieren.