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Kommentar: Palmyra darf nicht sterben

Kommentarbild Autorenbild Sarah Judith Hofmann
Sarah Judith Hofmann
29. Mai 2015

Wenn die UNESCO-Welterbestätte Palmyra zerstört wird, sind wir im Westen mit schuldig, meint Sarah Hofmann. Weil wir schon viel zu lange dem syrischen Bürgerkrieg zugesehen haben – ohne etwas zu tun.

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Oasenstadt Palmyra Sonnenuntergang
Bild: picture-alliance/dpa/C. Melzer

Für eine Inszenierung eignet sich wohl kaum ein Ort besser als ein Amphitheater. Dort lässt sich gut die Stimmung anheizen – das wussten schon die Römer, als sie ihre Arenen bauten und dort Gladiatorenkämpfe austragen ließen. Auch von weiter entfernten Rängen ließ sich gut beobachten, wie das Blut spritzte. Entschuldigung, es muss so drastisch ausgedrückt werden. Denn genau dies geschieht aktuell wieder, im Jahr 2015 in Syrien. Und wir sind Teil des Publikums.

Im römisch-antiken Theater von Palmyra soll der IS mindestens 20 Menschen öffentlich hingerichtet haben. Inmitten der weltweit berühmten UNESCO-Welterbestätte Palmyra also, wo die Kämpfer des selbsternannten "Islamischen Staates" zeitgleich begonnen haben sollen, die antiken Statuen zu zerstören. Das Ausmaß der Brutalität ist schier unfassbar.

Der IS beherrscht die mediale Inszenierung perfekt

Der Fall zeigt aber nicht allein die Verrohung der Kämpfer des IS, sondern auch, dass sie die mediale Inszenierung perfekt beherrschen. Sie wissen: Wenn Weltkulturerbe zerstört wird, schaut die internationale Gemeinschaft hin. Das haben wir bei der Zerstörung von Bamyan durch die Taliban erlebt, bei Timbuktu durch Boko Haram – und mittlerweile wiederholte Male im Einflussbereich des IS. Die Bilder der Kämpfer, die wild auf assyrische Statuen im Museum von Mossul einschlugen, gingen um die Welt.

Müssen wir uns dafür schämen? Ja und Nein. Wir müssen aufpassen, dass wir den Islamisten nicht Propagandaerfolge bescheren, indem wir nur noch erschrocken die Augen aufreißen, wenn sie jahrtausendealtes Kulturerbe zerstören. Und doch ist es richtig, dass aus Sorge um das Welterbe seit Wochen über die Kämpfe um Palmyra berichtet wird. Es ist richtig, dass die UN-Vollversammlung eine auch von Deutschland eingebrachte Resolution zum Schutz von Kulturgütern vor dem IS verabschiedete und die Zerstörungen von Kulturgütern als "terroristische Akte und Kriegsverbrechen" ächtete. Denn es geht eben nicht bloß um tote Steine, sondern um das kulturelle Erbe der Menschheit.

Palmyra ist Teil der syrischen Identität

Sarah Hofmann
DW-Kulturredakteurin Sarah Hofmann: "Müssen wir uns schämen?"

Die antike Stätte Palmyra ist Zeugnis einer jahrtausendealten Schnittstelle zwischen der Welt des Mittelmeers und dem Einflussbereich des Orients. Jeder, der einmal durch die Ruinen des berühmten Baal-Tempels spaziert ist, wird die Erhabenheit dieses Ortes nicht mehr vergessen und eine Verbundenheit zu den Menschen in Syrien spüren. Für sie ist Palmyra Teil ihrer Identität. Hier erforschten internationale Archäologen bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien das gemeinsame Erbe von Ost und West. Noch lange waren nicht alle Schätze ausgegraben.

Statt internationaler Forscher besorgt dies nun der IS. Die Kämpfer zerstören bei weitem nicht alles. Was leicht geschmuggelt werden kann, landet auf dem internationalen Kunstmarkt. Jeder, der diese Antiken kauft, füllt die Kriegskasse des IS – und provoziert damit weitere Zerstörungen. Was aber wird aus Syrien, wenn die Menschen sich nicht einmal mehr an ihrer jahrtausendealten Kultur festhalten können? Wie sollen sie ihr Land ohne die ersten Steine aus Palmyra wieder aufbauen?

Die internationale Gemeinschaft muss handeln

Dass die UN den illegalen Handel mit erbeuteten Kulturgütern stärker unterbinden will, ist richtig. Doch es sollten endlich auch Anstrengungen folgen, den Bürgerkrieg in Syrien als internationale Gemeinschaft gemeinsam zu beenden, so schwierig und komplex diese Aufgabe auch sein mag. Denn wir alle sind Teil des Menschheitserbes.

Palmyra ist für den IS übrigens nicht allein der antiken Stätte wegen interessant, sondern auch als geostrategisches Ziel. Palmyra bedeutet aufgrund seiner Lage Zugang zum Euphrat und zu Damaskus. Die Stadt verfügt darüber hinaus über einen der einzigen drei Flughäfen des Landes. Lassen wir die Zerstörung von Palmyra zu, geben wir auch Syrien endgültig auf.

Über dem Amphitheater in Palmyra weht inzwischen die schwarze Fahne des IS – zumindest zeigt dies ein Foto, das die Islamisten selbst veröffentlich haben. Sie wissen, dass es weltweit verbreitet wurde. Wir sollten nicht mit offenen Mündern sitzen bleiben, sondern von den Rängen aufspringen.

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