Falsche Frage
31. Januar 2008Die Gegner des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert sind enttäuscht: Sie hatten sich von der Untersuchung des Libanon-Krieges vor anderthalb Jahren versprochen, dass der Regierungschef die Verantwortung übernehmen und zurücktreten werde. Stattdessen kommt Olmert glimpflich davon: Er und sein damaliger Verteidigungsminister hätten sicher geglaubt, im Interesse Israels zu handeln, und es sei das Militär gewesen, das auf ganzer Linie versagt habe.
Falsche Fragestellung
Die Einsetzung einer offiziellen Untersuchungskommission unter Vorsitz des früheren Richters Eliahu Winograd hatte andere Erwartungen geweckt. Ihr 500-Seiten-Bericht zeigt nun aber, dass das falsch war: Frühere Untersuchungskommissionen, die sich zum Beispiel mit dem Massakern in Sabra und Shatila beschäftigten, waren immerhin noch zum Schluss gekommen, dass die Politik falsch und grob fahrlässig gehandelt habe und dass sie Konsequenzen ziehen müsse. Und Israel hob sich positiv von so vielen anderen Staaten ab – eben weil es sich den Luxus solcher Untersuchungen leistete.
Aber auch das ist nicht mehr wie es war. So muss man am vorliegenden Bericht der Winograd-Kommission vor allem bemängeln, dass im Vordergrund eine – und nur eine – Frage stand: Warum hat Israel den Krieg verloren? Zwar mag der eine oder andere noch konstatieren, wenigstens habe man es nun amtlich, dass der Krieg kein Erfolg war, wie man es offiziell gerne hingestellt hatte.
Weltweiter Ansehensverlust
Aber die breite Öffentlichkeit, in Israel und im Ausland, hatte doch längst verstanden, dass dieser Krieg kein Erfolg war – nicht nur wegen der über 1000 Toten auf libanesischer Seite und der 160 in Israel, nicht nur wegen der unermesslichen physischen Schäden im Libanon oder des weltweiten Ansehensverlustes, etwa wegen des Einsatzes von Splitterbomben. Wenn es je ein erklärtes Kriegsziel gab, dann ist es nicht erreicht worden: Zwei verschleppte Soldaten blieben verschwunden und Hisbollah ist nicht am Boden zerstört, sondern weiterhin ein ernstzunehmender Machtfaktor im Libanon.
Nur hier setzt die Kritik an der Politik an: Die Entscheidungswege seien zu wirr und zu unkontrolliert gewesen. Schlimmer aber sei die Unfähigkeit des Militärs, das bisher doch als das fähigste und stärkste in der Region gegolten hatte. Dabei hätte die Kommission untersuchen und darüber befinden sollen, ob der Krieg nicht überhaupt ein Fehler war. Dass sie diese Frage nur am Rande stellte, lässt den Rückschluss zu, dass ein israelischer Sieg in diesem Krieg nie zur Untersuchung all der negativen Aspekte geführt hätte. Bei Siegern fragt man nicht, wie sie es wurden.
Enttäuschung über den Bericht ist deswegen gerechtfertigt. Die politischen Gegner Olmerts werden nun nicht dessen Rücktritt erleben, über sein Verbleiben im Amt aber kann auch keine rechte Freude aufkommen, denn man weiß nicht, ob Olmert der richtige Mann ist für den angesagten Friedensprozess. Ein schwacher Trost wenigstens: Solange Olmert bleibt, kommt Likud-Führer Benjamin Netanjahu nicht zurück. Und mit dem gäbe es sicher keinen Frieden.