Kommentar: Obamas schöne neue Welt
8. Juni 2013Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, US-Präsident Barack Obama den Friedensnobelpreis zu verleihen? Mehr und mehr zeigt sich: Es war eine Schnapsidee. Der Preis war als Ansporn gedacht, als Ermunterung für einen Präsidenten, der mit viel Sympathie und Optimismus in seine Amtszeit gestartet ist - der diese Erwartungen bis heute aber nicht erfüllen kann oder will.
Obama, das war der Gegenentwurf zu George W. Bush; ein smarter Politiker mit afroamerikanischen Wurzeln, der mehr Freiheit, mehr Möglichkeiten für alle, kurzum: Ein besseres Leben und eine bessere Welt versprach. Jetzt aber zeigt sich: Obama setzt die Politik seines Vorgängers in vielen Bereichen nahtlos fort. Und teilweise - so wie bei der Internetspionage - hat er sie offenbar sogar massiv ausgedehnt.
Es ist nicht wirklich viel, was man über die staatliche Ausforschung namens PRISM weiß. Obama hat die Existenz dieses Programms eingeräumt, allerdings ohne Details zu nennen. Die Unternehmen, die dem US-Geheimdienst NSA einen direkten Zugang zu ihren Daten eingeräumt haben sollen, bestreiten allerdings genau dies. Entweder aus Unwissenheit - möglicherweise sind auch innerhalb von Konzernen wie Microsoft, Facebook oder Apple nur wenige Menschen eingeweiht - möglicherweise aber auch, weil sie ihr Geschäftsmodell schützen wollen. Denn wer würde diesen Unternehmen noch Daten anvertrauen, wenn er weiß, dass US-Behörden direkt darauf zugreifen können?
Angriff auf die Meinungsfreiheit
Trotzdem: Auch mit dem wenigen, was an Informationen durchgesickert ist, kann man PRISM als Angriff auf die Freiheit und die Menschenrechte ansehen. Was unterscheidet die USA noch von einer Diktatur, in der Internet und Telefonverbindungen ebenfalls systematisch durchsucht werden? Macht es einen Unterschied, dass die US-Behörden "nur" mitlesen und nicht auch bestimmte Internet-Angebote sperren?
Die Freiheit im Internet wird mehr und mehr eine Schein-Freiheit. Jeder kann zwar alle Angebote nutzen und in sozialen Netzwerken seine Meinung sagen. Wehe aber, es ist die falsche Meinung oder es tauchen Bilder, Begriffe oder Videos auf, die von den US-Behörden in Zusammenhang mit Terrorismus gebracht werden. Dann kann man offenbar schnell ins Visier der Geheimdienste geraten.
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht
Obama rechtfertigt all die Spitzelei mit dem Kampf der USA gegen den Terrorismus. 100 Prozent Sicherheit, 100 Prozent Privatsphäre und zugleich null Unannehmlichkeiten seien unmöglich, so verteidigt er das Vorhaben. Merkt Obama eigentlich, was für ein fatales Versprechen er hier abgegeben hat? Im Klartext bedeutet seine Rechtfertigung nämlich: Ihr müsst euch ein paar Eingriffe und ein bisschen Überwachung gefallen lassen, dafür bieten wir euch dann volle Sicherheit. Wie aber konnte es dann zu den Terroranschlägen von Boston kommen? Will der Präsident vielleicht am Ende 100 Prozent Überwachung? Sein Ziel der absoluten Sicherheit wird er - wenn überhaupt - wohl nur auf diese Weise erreichen können.
Ein Überwachungssystem aufzubauen, das jeden totalitären Machthaber neidisch werden lässt, ist definitiv der falsche Weg. Und es ist meilenweit von dem entfernt, was Obama in sein Amt getragen hat. Das ist nicht mehr der Obama, den seine Wähler als Präsidenten haben wollten. Und es ist auch nicht der Obama, der einen Friedensnobelpreis verdient hätte.