Kommentar: Nur die Ruhe Borussia!
13. September 2015"Auf, auf, auf in die Champions League", skandierten die Fans von Borussia Mönchengladbach gegen Ende der letzten Bundesliga-Saison zunehmend lauter, und dann war dieses Ziel tatsächlich erreicht. Böse Zungen könnten nun auf die Idee kommen, diese Hymne umzutexten in "Auf, auf, auf in den Abstiegskampf!". Und ganz so fern der Realität wäre das nun wirklich nicht.
Nach vier Spieltagen mit vier Niederlagen, null Punkten und 2:11 Toren findet sich der Champions-League-Teilnehmer auf dem letzten Platz der Bundesliga-Tabelle wieder und das zu Recht. Gut, auch der VfB Stuttgart wartet immer noch auf ein mageres Pünktchen und verfügt mit 5:12 Treffern nur über eine wenig bessere Tordifferenz. Doch bei allem Respekt: Die Schwaben konnten die Klasse in der letzten Saison nur mit Mühe und Not halten und waren gerade einmal einen Punkt besser als der Dauer-Relegationsplatz-Inhaber Hamburger SV.
Ganz anders eben die Borussia vom Niederrhein: Für die Mönchengladbacher war es eine Traumsaison, in der alles wie am Schnürchen lief. Am Ende sprang Rang drei und die direkte Qualifikation für die Königsklasse des Fußballs heraus - umso krasser ist nun der Absturz. Ein Widerspruch? Mitnichten! Beides hängt unmittelbar zusammen.
Ursachenforschung
Über die Gründe für diese Entwicklung lässt sich lange spekulieren. Sind es die Abgänge der beiden Leistungsträger und Nationalspieler Max Kruse und Christoph Kramer, die (noch) nicht kompensiert werden konnten? Sind es die Zukäufe von Lars Stindl und Josip Drmic, die beide (noch) nicht so greifen, wie man sich das vorgestellt hatte? Ist es die lange Verletztenliste, auf der mit Alvaro Dominguez, Fabian Johnson, Patrick Herrmann und erneut Kapitän Martin Stranzl nicht ganz unwichtige Spieler stehen? Oder ist es - wie bei der desaströsen 0:3-Niederlage gegen den HSV - die "Gelb-Rot-Pause" von Spielmacher Granit Xhaka? Klare Antwort: Nein!
All diese Puzzlestücke können den Leistungsabfall der elf auf dem Platz stehenden Spieler samt Einwechselpersonal nicht erklären - egal in welchem Spiel: Nicht bei der Pleite in Dortmund, zuhause gegen Mainz, in Bremen und schon gar nicht bei der spielerischen Katastrophe gegen den Relegations-HSV. Welcher Borusse erreicht auch nur annähernd das Niveau, das er noch in der letzten Saison auf den Platz brachte? Keiner!
Der Grund dafür liegt im Kopf, oder besser gesagt in jedem Kopf eines jeden einzelnen "Profis": es ist die Champions League! Man hatte Zeit in Gladbach, viel Zeit. Die ganze Sommerpause über durfte geträumt werden von der Königsklasse. Ach nein, es ist ja gar kein Traum, man ist ja tatsächlich dabei. Und wie leicht das doch in der letzten Spielzeit gefallen war. Nein, war es nicht! Trainer Lucien Favre hatte mit der Mannschaft geochst, mit jedem einzelnen Spieler gearbeitet - von Spiel zu Spiel. Und das Bewusstsein, dass nur harte Arbeit den Erfolg bringt, ist den Mönchengladbacher Spielern abhanden gekommen.
Fehlende Leichtigkeit
Das DFB-Pokal-Erstrundenspiel auf St. Pauli konnte man gerade noch umbiegen - prima, es läuft ja wie immer. Wie fatal! Tat es in der Folge nämlich nicht und von Niederlage zu Niederlage wuchs in den Köpfen der Spieler die Verunsicherung, der Zweifel: von Leichtigkeit, von Selbstvertrauen aus der Qualifikation für die Champions-League keine Spur mehr.
Und genau das weiß auch Trainer-Fuchs Favre, wenn er sagt: "Wir verlieren zu schnell die Geduld und spielen zu kompliziert. Das ist zu leicht für den Gegner. Ich habe schon vor dem ersten Spiel gewarnt, dass es eine extrem schwere Saison für uns wird. Wir müssen jetzt Lösungen finden. Wir werden weiter hart arbeiten und es nach und nach schaffen. Die Meisterschaft ist wichtiger als die Champions League."
Eingespieltes Team
Zum Glück für die Borussia, ist man am Niederrhein ein eingespieltes Team, das sich kennt, schätzt und vertraut. Zum Glück gibt es mit Max Eberl einen Sportdirektor, der klar und unmissverständlich Stellung bezieht und den Schweizer Coach als "absolut unrauswerfbar" bezeichnet. Auf eine mögliche Entlassung angesprochen, betonte Eberl sofort: "An so was verschwende ich keinen Gedanken."
Die Spieler sind es, die wieder zu ihrer alten Stärke zurück finden müssen. Aber wenn Stürmer Andre Hahn schon sagt: "Es kommen harte Wochen auf uns zu", dann scheint ja ein gewisses Aufwachen und ein "an die eigene Nase fassen" zu beginnen. Mit Ruhe und Konzentration, ganz nach dem Favre-Motto der letzten beiden Spielzeiten "Von Spiel zu Spiel denken", wird die Borussia diese Krise meistern - aber nur mit Trainer Lucien Favre.