Gefühlt ist zur Frauenquote in Deutschland schon alles gesagt worden. 1986 zum Beispiel, als die Grünen sie als erste Partei einführten. Oder 1988, als die SPD nachzog. 2015, als der Bundestag eine Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen verabschiedete.
Kein Wunder also, dass im Juli 2020 viele nur ein müdes Seufzen übrig haben, wenn die CDU - Regierungspartei, Partei der ersten Kanzlerin in Deutschland, Selbstbezeichnung: "letzte deutsche Volkspartei" - nun ebenfalls eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent für Parteiämter und Mandate einführen möchte. Schrittweise, bis 2025.
Die Sache mit der Kompetenz
Besser spät als nie, möchte man meinen. Da sind sich doch wohl alle einig, möchte man weiterhin meinen. Wären da nicht die ABER-Schreie aus Teilen der CDU-Mitgliedschaft. Aber, rufen die ergrauten Männerköpfe der konservativen Werte-Union: "Eine Kompetenzquote von 100 Prozent ist das, was die CDU wirklich braucht!" Und überhaupt, ruft der CDU-Wirtschaftsrat in einem Interview: Wir haben doch schon eine Kanzlerin und eine EU-Kommissionspräsidentin!
Genau diese Aber-Rufe zeigen einmal mehr, wie bitter nötig die CDU eine Frauenquote hat. Dass die mächtigsten Frauen in der bundesdeutschen Geschichte offenbar kein Argument sind, noch mehr Mandats- und Funktionsträgerinnen zu fördern, in Machtpositionen zu bringen. Im Gegenteil: Bis hierhin und nicht weiter, ist der Subtext der Kritik. Dass diese Kritik von der Basis kommt, überrascht nicht. Denn diese Basis ist im Durchschnitt 60 Jahre alt und überdurchschnittlich - nämlich zu drei Vierteln - männlich. Nur 51 der CDU-Bundestagsabgeordneten sind Frauen, die anderen 195 Männer. Alle drei Kandidaten für den Parteivorsitz: männlich. Dass konservative Parteien gern in die Vergangenheit schauen, das ist jetzt nicht unbedingt etwas Neues. Legt man den Rückwärtsgang aber zu lange ein, fährt man irgendwann gegen eine Wand - oder stürzt in den Abgrund.
Das Volk in Volkspartei
Das bei den Bundestagswahlen 2021 zu tun, wäre ärgerlich für die CDU. Es sind die ersten Wahlen ohne die Kanzlerin, die 15 Jahre lang die Macht der Partei gesichert hat und die sich - wie es die Ironie des Schicksals und wahrscheinlich ihre richtige Einschätzung der Parteibasis so will - immer schwer getan hat mit der Selbstbezeichnung Feministin. Wahlen, in denen die CDU wirklich ein Problem haben wird, wenn sie junge Wähler und vor allem Wählerinnen nicht erreicht. Die wählen nämlich , das haben die Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Jahr gezeigt, längst mehrheitlich grün. Da steht die Glaubwürdigkeit der CDU als "Volkspartei" auf dem Spiel - welches Volk nochmal?
Frauen sind nicht gleich Feminismus
Den Anschluss nicht verlieren, das hat die CDU-Spitze jetzt anscheinend verstanden. Fest steht aber auch: Die eigentliche Debatte über Gleichberechtigung fängt erst danach an. Eine Frauenquote macht eine Partei in keinster Weise feministischer. Vor allem nicht, wenn diese, so wie die CDU es plant, schrittweise eingeführt wird, an Bedingungen geknüpft. Sie ist nur ein Druckmittel des Übergangs, das eine "critical mass" an Frauen in der Politik schafft, damit dann irgendwann eine Politik gemacht wird, die sich wirklich für Frauen einsetzt.
Echte Repräsentation? Da müsste man noch über Intersektionalität reden, also unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen, zum Beispiel aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Behinderung oder sexueller Orientierung, die sich übereinander gelagert verstärken. Aber das ist vorgegriffen - so weit ist die CDU noch lange nicht. Erst einmal im 21. Jahrhundert ankommen. Man hofft für die Partei, dass sie das schafft mit diesem ersten Schritt. Noch muss der Parteitag der CDU im Dezember zustimmen. Ob die Delegierten das tun, ist alles andere als sicher.