Mit dem Rücken zur Wand
16. Oktober 2008Die drei Präsidentschaftsdebatten haben inhaltlich wenige Überraschungen gebracht. Wer sich mit den beiden Kandidaten bereits beschäftigt hat, der weiß, welche Ansichten der Demokrat Barack Obama und der Republikaner John McCain etwa bei der Steuer-, der Gesundheits- und der Energiepolitik haben. Doch die insgesamt viereinhalb Stunden im Fernsehscheinwerferlicht erfüllten auch einen anderen Zweck. Sie erhellten die fundamentalen Unterschiede im Charakter der beiden Männer, die sich um das höchste Amt der Vereinigten Staaten von Amerika bewerben.
Da ist einmal der Demokrat Barack Obama – wenig erfahren in der Politik, aber sehr zielstrebig in seinem politischen Aufstieg zum ersten afro-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Er hat sich auf seinem Weg bisher wenige Fehler erlaubt und schnell gelernt. Dass er John McCain bei der ersten Debatte ständig zustimmte, hat er schon beim zweiten Mal nicht mehr gemacht. Er präsentierte sich als ruhig, sachlich und souverän. Das reichte aus, denn vor allem in den letzten Wochen wusste er einen zunehmenden Vorsprung in der Wählergunst hinter sich.
Ganz anders der Republikaner John McCain. Er konnte den Vorsprung vor seinem Kontrahenten, den er nach dem Nominierungsparteitag in St. Paul erreicht hatte, nicht ausbauen geschweige denn halten. Denn John McCain hat ein Problem: Er bezeichnet sich selbst mit Stolz in der Stimme als Außenseiter seiner Partei, der in vielen Sachfragen andere Ansichten vertritt als die republikanische Basis und der auch mit unabhängigen und demokratischen Politikern Allianzen schließt. Aber er ist der Kandidat der Republikaner. So ist sein Wahlkampf vor allem von Zerrissenheit geprägt.
McCain versuchte, die republikanische Basis zu ködern, indem er Sarah Palin, die erzkonservative Gouverneurin aus Alaska, zu seiner Vizekandidatin machte. Doch damit stieß er unabhängige Wähler vor den Kopf. Während Palin im Wahlkampf Barack Obama mit Terroristen verglich, betonte McCain wiederum, welch anständiger Mann sein Kontrahent doch sei.
Diese Zerrissenheit und die gegensätzlichen Botschaften machten sich auch in den Fernsehdebatten bemerkbar. McCain hatte der Gelassenheit Obamas nichts Gleichwertiges entgegen zu setzen. Er hat versucht, Obama zu ignorieren, was ihn schlecht aussehen ließ. Er hat es mit Höflichkeit versucht, was bei der eigenen Partei nicht gut ankam. Dann schaltete er auf Angriff um – wirkte aber wenig souverän dabei, weil er sich in Kleinigkeiten verbiss, statt die – bei Obama durchaus vorhandenen - Angriffsflächen zu nutzen. Von einem Präsidenten erwartet man mehr.
Noch ist die Wahl nicht gelaufen, noch hat Obama nicht gewonnen. Der Vorsprung, den der Demokrat jetzt hat, wird aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Wahltag wieder zusammen schrumpfen. Das lehrt die Vergangenheit. Und noch ist auch nicht sicher, ob die Mehrheit der Amerikaner tatsächlich gewillt ist, einen Schwarzen zum Präsidenten zu wählen. Aber wenn sie dann ihr Kreuz bei dem Republikaner machen, dann ist das eine Stimme gegen Obama – und nicht für McCain. Doch darauf kann und darf dieser sich nicht verlassen. So kämpft er in den verbleibenden knapp drei Wochen mit dem Rücken zur Wand. Denn die drei besten Chancen, die Amerikaner für sich einzunehmen, hat er vertan.