Nach den Abstimmungen im britischen Unterhaus sind wir genau so schlau wie vorher. Für keinen der möglichen Pfade zu einem Brexit gibt es bei den Abgeordneten eine Mehrheit. Wir wissen nur, dass sie einen Ausstieg nicht ohne Vertrag mit der EU wollen. Wie sie diesen Vertrag, den das gleiche Parlament erst vor zwei Wochen abgelehnt hat, noch erreichen wollen, sagen die Parlamentarier allerdings nicht. Auf eine Verlängerung der Verhandlungsfrist, vielleicht Neuwahlen oder ein zweites Referendum oder ein Abblasen des gesamten Brexit-Prozesses konnte sich das Unterhaus nicht einigen. Das einzige, wozu sich das Parlament aufraffen konnte, ist der skurrile Auftrag an die Premierministerin innerhalb von 14 Tagen mit der EU den Ausstiegsvertrag nachzuverhandeln.
Da capo: May soll neu verhandeln
Der verflixte "Backstop", also die Garantie, dass es zwischen der Republik Irland und Nordirland, das zum Vereinigten Königreich, jemals wieder eine harte Grenze mit Kontrollen geben wird, soll weg. Das hat die britische Premierministerin als Ziel ausgegeben. Es zu erreichen, dürfte im Moment unmöglich sein. Die EU in Brüssel, aber auch der französische Präsident oder die deutsche Kanzlerin erklären noch unisono, dass nicht mehr verhandelt werden kann. Die Grenzfrage sei abschließend geregelt.
Jetzt beginnt ein Nervenkrieg. Wer bewegt sich zuerst? Es hängt nun alles von der Regierung in Irland ab. Sie will eine harte Grenze mit Nordirland auf jeden Fall verhindern, um den Frieden in der Region nicht zu gefährden. Bleiben Irland und die EU aber unbeweglich, führt dies zu einem Ausstieg ohne Vertrag für das Vereinigte Königreich und damit automatisch zu einer Grenze. In dieser verzwickten Lage könnte die britische Premierminister Theresa May darauf spekulieren, dass die Iren in letzter Minute nachgeben werden, um den "backstop" abzumildern. Sie hat eh nicht mehr viel zu verlieren. Sie könnte im Brexit-Poker alles auf diese eine Karte setzen.
Die Hoffnungen schwinden
Die EU setzt eher darauf, dass die Briten beim Blick in den Abgrund des näher rückenden Brexit, die Nerven verlieren und in letzter Minute eine Verlängerung der Verhandlungsphase verlangen - für Wochen oder vielleicht sogar Monate. Das hätte den Vorteil, dass zunächst kein materieller Schaden entsteht und die Briten noch einmal Zeit hätten, sich einen vernünftigen Plan B für einen geordneten Brexit zu überlegen.
Die Hoffnung, den Brexit noch zu managen, bleibt in Brüssel bestehen, aber sie wird schwächer. Abgeordnete des Europäischen Parlaments und EU-Diplomaten sind des Brexit-Dramas langsam müde. Viel Geld würde im Moment niemand auf einen Ausstieg der Briten am 29. März setzen. Verschieben, Zeit gewinnen, abwarten. Das ist im Moment die einzige Taktik der EU.