In welche Richtung geht Klaus Iohannis?
Als Klaus Iohannis vor sechs Jahren antrat, Präsident seines Landes zu werden, wurde einer seiner Leitsprüche zum geflügelten Wort: Schritt für Schritt, sagte er bei jeder Gelegenheit, wolle er Reformen umsetzen - pro-europäisch, demokratisch, transatlantisch. Gemeinsame Werte wolle er vorleben und pflegen. Als Angehöriger einer geachteten Minderheit - Iohannis ist Siebenbürger Sachse - wurde er für eine große Mehrheit der Rumänen zum Hoffnungsträger für eine neue Politik, mit der er das Land aus den Fängen der korrupten postkommunistischen Politiker und Lokalbarone befreien sollte.
Seine erklärten Hauptwidersacher, die nominell sozialdemokratische PSD und Konsorten, haben ihn seit seinem Amtsantritt 2014 vielfach auf unlautere Art und Weise blockiert, angeschwärzt, verleumdet und gegen ihn gehetzt. Iohannis konnte diese Angriffe parieren und die national-populistische, oft anti-europäisch agierende PSD als "Unfall der Demokratie" entzaubern. Das kam bei vielen seiner Anhänger gut an und überzeugte auch die EU-Partner. Jetzt aber ist der konservativ-liberale Klaus Iohannis selbst in den nationalistischen Schlamm hinein geschlittert. Anlass war ein neuerlicher Gesetzentwurf, mit dem die politischen Vertreter der ungarischen Minderheit Autonomie für eine Region in Siebenbürgen (Transsilvanien) forderten.
"Siebenbürgen den Ungarn geben"
Die Sozialdemokraten, wetterte der Präsident, hätten gemeinsame Sache mit der ungarischen Minderheit in Rumänien und dem ungarischen Premierminister in Budapest gemacht und wollten in Geheimverhandlungen "Siebenbürgen den Ungarn geben". Ähnliche Verschwörungstheorien hatte Iohannis 2014 noch als "Kretinismus" gebrandmarkt.
Dass der ungarische Premierminister Viktor Orbán regelmäßig in der Region zündelt, gehört zu seiner gefährlichen "pan-magyarischen" Politik. Und dass rumänische Nationalisten aller Couleur um keine noch so abwegige Retourkutsche verlegen sind, ist auch nicht neu. Was aber mag Iohannis plötzlich geritten haben, was ihn derart die Contenance verlieren und in die Kerbe des rumänischen Nationalismus hauen ließ? Er, der pragmatische und so besonnene Pro-Europäer, muss sich doch dessen bewusst gewesen sein, dass er mit schrillen anti-ungarischen Tönen den Hahn aufdrehen würde für einen Schwall historischer Ressentiments in Budapest und Bukarest. Und die sich wieder hochschaukeln würden - gerade so kurz vor dem 100. Jahrestag des Vertrags von Trianon, der die Teilung Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg und die Angliederung Siebenbürgens an Rumänien besiegelte.
Zeit für eine Entschuldigung
Weiß Iohannis vielleicht etwas über Entwicklungen, die zu einer reellen Gefahr für die rumänische Einheit werden könnten? Und wenn er etwas weiß: Warum sagt er es nicht? Warum rutscht er - Schritt für Schritt - in den nationalistisch-populistischen Sumpf, den er einst trocken legen wollte? Wir hätten gerne mit ihm darüber gesprochen, eine zweifache Interview-Anfrage der DW wurde aber mit einem lapidaren "Nein" beantwortet.
Klar ist: Ein pro-europäischer Politiker, noch dazu der aktuelle Träger des Karlspreises "für europäische Verständigung" in der Tradition eines Monnet, Adenauer, Churchill oder Havel, darf sich nicht so gehen lassen. War es ein Ausrutscher, sollte sich Iohannis umgehend dafür entschuldigen. In Europa wächst die Zahl der populistischen und nationalistischen Politiker - es wäre eine herbe Enttäuschung, wenn Iohannis in dieser Ecke eine neue politische Heimat gefunden haben sollte. Und es wäre eine Katastrophe für die so zerbrechliche Stabilität in der Region.