Kampf um die innere Sicherheit
Wenn Innenminister schlechte Nachrichten bekommen, meinen sie, zwei Fragen beantworten zu müssen. Zum einen: "Wie konnte das passieren?" Zum anderen: "Was können wir tun, um so etwas zu verhindern?" Die Antworten "Pech" und "Nichts" wären oft die ehrlichsten. Zu hören sind sie freilich nie. Thomas de Maizière (CDU) war nach der Axtattacke von Würzburg, dem Amoklauf von München und dem Selbstmordanschlag von Ansbach nah dran, in dem er darauf hinwies, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gäbe und dass er nicht sofort Bedarf für neue Gesetze sehe.
Neue Gesetze zu fordern, ist für einen Innenminister auch schwierig. Erstens muss er sie quasi von sich selbst fordern und zweitens fragen sich Bürger zu Recht: wenn es Sicherheitslücken gibt, warum wurden die nicht schon früher geschlossen? Thomas de Maizière hat im vergangenen Jahr umfassend reagiert. Auf die millionenfache Zuwanderung mit einem Integrationsgesetz - Stichwort: fördern und fordern. Auf die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht folgte de Maizières Abschiebe-Offensive, die sich gegen Menschen aus dem Maghreb richtet. Und auf die Anschläge von Brüssel und Paris reagierte de Maiziere mit einem Anti-Terror-Gesetz, das unter anderem den besseren Datenaustausch mit anderen Geheimdiensten zum Ziel hat.
Dann kamen die von der Boulevard-Presse als "Blutwoche" bezeichneten Tage in Bayern. Ausgerechnet in dem Land also, dessen regierende Partei CSU den Markenkern innere Sicherheit vertritt. Und während Thomas de Maizière noch zur Besonnenheit aufrief, erklärte sein bayerischer Amtskollege, Besonnenheit sei gut, aber nun sei die Zeit zu handeln. Was folgte, war ein Forderungskatalog, der de Maizière geärgert haben muss. Hatte er doch noch auf eine gemeinsame Analyse und Besprechung von Bund und Ländern gesetzt. Sein Sprecher erklärte daraufhin, es sei ja nicht so, als ob die Bundesregierung bisher nichts getan habe. Was folgte, war ein Maßnahmenkatalog, den so in etwa auch die Bundeskanzlerin als 9-Punkte-Plan in ihrer Sommer-Pressekonferenz vorgestellt hat. Nun geht der Innenminister über diesen Plan noch einmal hinaus.
Wer kann innere Sicherheit am Besten?
Innenministern wird nicht zu unrecht nachgesagt, dass sie für den Fall eines Unglücks immer noch ein Paar schärfere Maßnahmen in der Schublade haben, die sie sich in ruhigen Zeiten nicht zu präsentieren wagen. Thomas de Maizière hat diesen Eindruck zuletzt nicht gemacht. Doch nun, da selbst vom Koalitionspartner, den Sozialdemokraten, offene Kritik kommt - "der Minister stattet die Bundespolizei nicht angemessen aus" - reagiert de Maizière nicht mehr gelassen, sondern gereizt. Seine Vorschläge wirken, als wolle er sagen: "Wenn ihr meint, ihr könnt mehr Sicherheit, dann sagt erst mal hierzu 'Ja'".
Jetzt sollen mehr Vorratsdatenspeicherung und leichtere Abschiebungen möglich sein, die ärztliche Schweigepflicht eingeschränkt werden, wenn sich Straftaten verhindern lassen. Damit nicht genug: gemeinsam mit den Landes-Innenministern von CDU und CSU scheint de Maizière noch weitere Pläne zu haben, die vom Burka-Verbot bis zum Entzug der Staatsbürgerschaft weitere Forderungen beinhalten.
Das entscheidende Wahlkampfthema
Die Opposition wird die Maßnahmen als Aktionismus abtun und fragen, warum jetzt? Der Innenminister wird sie mit dem Hinweis auf die Gefahrenlage in Deutschland als Nachjustierungen rechtfertigen. Tatsächlich handelt de Maizière auch als loyaler Minister und Parteipolitiker. Seine Chefin, die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, bekommt das Unsicherheitsgefühl der Deutschen bei ihren Imagewerten deutlich zu spüren. In den Umfragen ist Angela Merkel zuletzt regelrecht eingebrochen.
Im September sind Landtagswahlen und nächstes Jahr steht die Bundestagswahl an. Angesichts der Stimmung in Deutschland ist klar, dass die innere Sicherheit zum entscheidenden Wahlkampfthema werden wird. Mit Forderungen der Konkurrenz von rechts - weniger Muslime (AfD) - und neuerdings auch von links - mehr Polizei (SPD) – steht die CDU in einem Wettlauf um mehr Sicherheit. Und Thomas de Maizière (CDU) ist dabei der entscheidende Mann.