Die populistische Regierung in Italien macht, was Populisten am besten können: Fakten verdrehen, Emotionen schüren, mit falschen Anschuldigungen und simplen Parolen verlogene Siege feiern und daraus politisches Kapital schlagen. So behauptet Wirtschaftsminister Luigi di Maio frech, Italien zahle jedes Jahr 20 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein. Das ist falsch, es waren netto im Jahr 2017 3,3 Milliarden Euro. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger selbst stellte diese "Fake News" von Di Maio richtig.
Der Führer der populistischen "Fünf Sterne-Bewegung" droht damit, die italienischen Beiträge in den laufenden EU-Haushalt nicht mehr zu zahlen. Das ist erstens rechtswidrig und zweitens eine plumpe Erpressung, die die EU sofort zurückgewiesen hat. Di Maio und der rechtsradikale Innenminister Matteo Salvini behaupten weiter, die EU habe Italien zugesagt, alle Migranten zu übernehmen, die dort ankommen. Auch das ist falsch. Eine solche Vereinbarung haben die Mitgliedsstaaten, die sich alle selbst gegen Migranten abschotten wollen, nie getroffen. Einige haben nur ihre freiwillige Bereitschaft signalisiert, eventuell einige zu übernehmen. Mehr Solidarität ist nicht.
Erpressung, Lügen, Nationalismus - Italien rutscht ab
Völlig abstrus ist die Behauptung, die EU-Kommission in Brüssel sei für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständig. Di Maio und Salvini wissen sehr genau, dass dafür allein die Nationalstaaten zuständig sind. An Solidarität mangelt es übrigens auch unter den populistischen Regierungen: Auch der Donau-Autokrat Viktor Orbán in Budapest weigert sich, trotz italienischer Anfrage, auch nur einen einzigen Migranten aufzunehmen.
Der rechtsradikale Innenminister Salvini, der mit der Migrationsfrage in Italien unablässig Wahlkampf macht, obwohl die aktuelle Zahl der Ankünfte von krisenhaften Zuständen meilenweit entfernt ist, hat ein simples wie Menschen verachtendes Rezept: Durch die Zurückweisung jeglicher Schiffe mit Migranten an Bord will er abschotten und abschrecken um jeden Preis. "Italien zuerst" wird umgesetzt - koste es, was es wolle.
Dass Salvini und seine Gesinnungsgenossen mit der "Diciotti" ein Schiff der italienischen Küstenwache in einem italienischen Hafen als Geisel genommen hatte, geht nun selbst der italienischen Justiz zu weit. Sie hat Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung eingeleitet, die gewiss nicht weit führen werden - aber immerhin ein kleines sichtbares Zeichen des Widerstandes gegen den Kurs der Populisten in Rom. Die Reaktion Salvinis war zu erwarten und bewegt sich auf unterstem Stammtisch-Niveau: Die Ermittlungen nennt er eine "Schande", weil es doch um Italien gehe, und gleichzeitig eine "Ehre", weil sie seinen Kampf gegen das System adelten. Solche unseriösen Angriffe auf die Justiz kennen wir mittlerweile aus dem Weißen Haus in Washington. Sie dürfen nicht auch noch zum Alltag in Italien werden!
Italien wird womöglich das Äußerste riskieren
Es ist richtig, dass es die Mitgliedsstaaten der EU nach drei Jahren immer noch nicht geschafft haben, sich auf eine Reform des Asylsystems und eine sinnvolle Verteilung von Migranten zu einigen. Das ist eine offene Flanke, die die Populisten, nicht nur in Italien, jetzt weidlich ausnutzen: Die EU ist an allem Schuld. Diese reflexartige Reaktion ist natürlich falsch. Die Probleme sind komplex und auch Italien gehört zu denen, die eine Reform der europäischen Verfahren in den vergangenen Jahren verhindert haben.
Jetzt aber einfach einseitig zu handeln und jegliche europäische Regel, auch die der Humanität, fahren zu lassen, wie das Matteo Salvini und Luigi Di Maio tun, das geht überhaupt nicht. So legen sie die Axt an die Grundfesten der EU. Mit Erpressung werden sie nicht weiter kommen, dürfen sie nicht weiter kommen. In den anstehenden Haushaltsverhandlungen über das EU-Budget von 2021 bis 2027 können die Italiener noch viel Ärger machen. Man muss damit rechnen, dass die Rechtsradikalen und Populisten sogar einen Ausschluss aus der Eurozone oder der EU riskieren werden, um ihren Willen durchzusetzen. Nach Brexit, Polen und Ungarn entwickelt sich hier rasant schnell der nächste EU-Krisenherd.
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