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Kommentar: Irans dubiose Interessen im Irak

Jamsheed Faroughi17. Juni 2014

Eine amerikanisch-iranische Kooperation gegen die ISIS-Kämpfer im Irak wäre ein historischer Einschnitt. Positiv wäre er, wenn es Teheran nicht zuerst um Machtzuwachs im Nachbarland ginge, meint Jamsheed Faroughi.

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Deutsche Welle Persische Redaktion Jamsheed Faroughi
Jamsheed Faroughi ist Leiter der persischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Es ist zweifelsohne eine Ironie der Geschichte: Noch vor Kurzem gehörte der Iran zur "Achse des Bösen." Heute ist er beinahe so etwas wie ein Stabilitätsanker in einer Region, die vor existenziellen Krisen nur so strotzt. Wenn man die eigentlichen Gründe für diese unglaubliche Wandlung der Rolle Irans in der Region sucht, darf man eins nicht vergessen: All dies sind nicht die Konsequenzen einer klugen Außenpolitik Irans, sondern die Folgen einer katastrophalen Nahost-Politik der USA. Und das Ergebnis eines Krieges im Irak, der nicht notwendig war.

Dass die Region nach der US-amerikanischen Invasion im Irak nicht sicherer wurde, ist offensichtlich. Aber dass der Irak jetzt, zehn Jahre nach seiner Besetzung, kurz vor dem Zerfall steht, hat in Washington niemand vorausgesehen. Um dieses tragische Schicksal zu verhindern, ist jetzt sogar eine Zusammenarbeit zwischen dem ehemaligen "Großen Satan" und dem früheren "Schurkenstaat" notwendig geworden.

Sollte diese Kooperation zwischen den USA und dem Iran tatsächlich zustande kommen, dann markiert sie nicht den Beginn einer innigen Freundschaft, sondern das Ergebnis eines pragmatischen politischen Kalküls auf beiden Seiten. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund"? So einfach liegen die Dinge im Mittleren Osten nicht.

Denn der Iran war nie ein "schweigender Betrachter" der Destabilisierung Iraks, sondern ein wichtiger Mitspieler und trägt auch zum Teil die Schuld. Historisch und ethnisch gesehen, haben der Iran und der Irak vieles gemeinsam. Beide Länder sind Vielvölkerstaaten mit schiitischer Mehrheit; beide verweigern ihren ethnischen und religiösen Minderheiten größtenteils die Teilhabe an der politischen Mitbestimmung. In beiden Ländern werden sowohl die Kurden als auch die Sunniten benachteiligt. Beide besitzen große Erdölvorkommen - und deshalb auch von so großer geopolitischer Bedeutung.

Die Geschichte der Beziehungen zwischen beiden Ländern ist seit jeher von einer Art Hass-Liebe geprägt. Unter Saddam Hussein war der Irak eine Regionalmacht. Hochgerüstet von den USA, begann Bagdad 1980 einen acht Jahre dauernden Krieg, der hunderttausende Opfer forderte und ganze Landstriche verwüstete. Die Wunden dieses Krieges, vor allem in den Grenzgebieten, sind bis heute nicht verheilt.

Da ist sie wieder, die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der damalige Kriegsgegner Iran soll nun helfen, den Irak vor dem Zerfall zu retten. Aber der Glaube, dass eine Kooperation zwischen Washington und Teheran den Irak befrieden und stabilisieren könnte, ist naiv – und nicht zu Ende gedacht. Denn die Sache ist komplexer, als sie aussieht.

Was momentan im Irak vor sich geht, ist nicht bloß ein Konfessionskrieg. Sondern ein Stellvertreterkrieg, der den tiefen Riss zwischen den beiden Hauptkonkurrenten der islamischen Welt offenbart, nämlich zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Der Irak ist dabei nur ein Schlachtfeld, aber das wichtigste und gefährlichste Schlachtfeld dieses Stellvertreterkrieges. Denn die Gefahr ist groß, dass dieser Krieg sich rasch ausweitet und die gesamte Region destabilisiert.

Vor diesem Hintergrund ist es politisch dumm und kurzsichtig, dass die schiitischen Machthaber im Iran in erster Linie an eine Vergrößerung ihrer Macht im Südirak denken. Oberstes Ziel muss die Stabilisierung des Nachbarlandes sein. Jede direkte Beteiligung in diesem sogenannten Konfessionskrieg und jede blinde und uneingeschränkte Unterstützung der Schiiten im Irak könnte den Funken in den Iran überspringen lassen, wo Millionen Kurden, Balutschen, Araber und nicht zuletzt auch Sunniten leben.