Es sollte ein pastoraler Besuch werden. Doch Papst Franziskus kann es nicht lassen. Er kann und will Religion und Politik nicht trennen. Er steht damit in bester lateinamerikanischer Tradition. Denn ohne eine politische Verankerung, so die Erfahrung der Kirche in der Region, lässt sich der Glaube nur schwer mit dem täglichen Überlebenskampf vereinbaren.
Endlich! Dieser Papst nutzt seinen Einfluss, um den Mächtigen ins Gewissen zu reden. In den drei lateinamerikanischen Ländern Ecuador, Bolivien und Paraguay, die Franziskus bereist, ist dies dringend notwendig.
Diplomatisch, aber deutlich
Franziskus legt den Finger in die Wunden der Vergangenheit, um seine Botschaft zu platzieren. Er spielt auf die dunkle Ära der Militärdiktaturen an, die in den 1970er und 1980er Jahren ganz Lateinamerika in ein riesiges Gefängnis verwandelten.
"Wir brauchen Gesetze, die vom Geist des Dialogs und der Einbeziehung unterschiedlicher Standpunkte getragen sind", erklärte er bei einem Treffen mit Vertretern aus Gesellschaft und Politik in Quito. "Unterdrückung, überzogene Kontrolle und die Beeinträchtigung von Freiheitsrechten, die einst unsere Region zerstört haben, müssen in der Sphäre der schmerzhaften Erinnerung bleiben."
Es ist eine der typischen Überraschungen des Papstes. Eigentlich will er über fröhliche Evangelisierung und bedrohte Familien sprechen, doch dann leistet er sich einen spontanen Exkurs über das Thema "kostbare Freiheit". Angesichts des angespannten politischen Klimas in Ecuador ist dies zweifellos als eine Rüge an die Regierung zu verstehen.
Für die Opposition in Ecuador wirken solche Worte wie Balsam. Seit Wochen gehen in Quito Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Politik von Präsident Rafael Correa zu protestieren. Der Protest richtet sich auch gegen die restriktiven Mediengesetze, die 2013 verabschiedet wurden.
Angst und Selbstzensur
Auch in Bolivien mehrt sich der Unmut über die Gängelung der Medien. Im Vorfeld des Papstbesuches überreichte die lokale Pressevereinigung ANP dem Erzbistum Santa Cruz ein Schreiben. Darin bittet sie Papst Franziskus, sich während seines Besuchs einzusetzen gegen die zunehmende Kontrolle der Medien, die "Angst und Selbstzensur" verbreite.
Angst und Selbstzensur kennt Franziskus auch aus dem katholischen Kosmos nur zu gut. Die deutlichen Worte an seine Glaubensbrüder in Lateinamerika offenbaren die Rückkehr des Vatikans zu alten Idealen. Der Papst gehört zu den Verehrern von Oscar Romero, einst Erzbischof von El Salvador, der gegen die Militärdiktatur kämpfte und Arme nicht mit Almosen abspeisen wollte.
Auch Ecuadors Präsident Correa gehört zu den Bewunderern Romeros, der im Mai dieses Jahres - 35 Jahre nach seiner Ermordung - selig gesprochen wurde. Für den gläubigen Katholiken Correa ist es deshalb umso bitterer, ausgerechnet von "seinem" Papst an die staatsmännische Pflicht von Dialog und Toleranz erinnert zu werden.