Wie mag es wohl dem letzten echten Dinosaurier ergangen sein, vor 65 Millionen Jahren, als ein Meteorit auf der Erde einschlug? Damals gab es weder Facebook, noch Twitter oder Instagram, er konnte uns also nicht mitteilen, was er dachte, als das Inferno ausbrach. Doch wir können wohl davon ausgehen, dass das Ende für ihn völlig überraschend kam. Der Abstieg des Hamburger SV fiel nicht vom Himmel. Er ist keine Laune des Schicksals.
Drama-Queen
Seit Jahren führte sich der HSV ziemlich regelmäßig als "Drama-Queen" auf. Erst verschlief man den Großteil der Saison, um dann doch noch in letzter Minute den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dreimal funktionierte das in den vergangenen vier Jahren. 2014 (gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth) und 2015 (gegen den Karlsruher SC) rettete sich das Bundesliga-Gründungsmitglied noch gerade so über die Relegation vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte. Nach einem kleinen Zwischenhoch 2016 mit Tabellenrang zehn folgte 2017 die Rettung in quasi vorletzter Minute: Dank eines Siegs am letzten Spieltag gegen den VfL Wolfsburg sicherten sich die Hamburger den Klassenerhalt und vermieden die Relegation. Auch diesmal bäumte sich die Drama-Queen von der Elbe am Saisonende wieder auf. Zu spät - getreu dem Sprichwort "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht".
Trainer in Serie verschlissen
An einem lag es sicher nicht: Christian Titz. Der Trainer, der im März einsprang, schaffte es immerhin, der Mannschaft wieder Selbstvertrauen einzuhauchen und dafür zu sorgen, dass die HSV-Fans bis zum letzten Spieltag auf das Wunder vom Klassenerhalt hoffen konnten. Titz übernahm von seinen Vorgängern in dieser Saison, Markus Gisdol und Bernd Hollerbach, ein leckgeschlagenes Schiff, das dem Untergang geweiht war. Seit 2010 hat der HSV, Titz nicht mitgerechnet, 15 Trainer verschlissen. Das spricht für sich.
Chaos im Verein
Wenn nicht in Hamburg, wo sonst sollte man wissen, dass der Fisch vom Kopf her stinkt? Der sportliche Niedergang des einstigen Europapokalsiegers geht einher mit dem Chaos an der Vereinsspitze. Vorstandschef Heribert Bruchhagen musste im März seinen Hut nehmen, ebenso Sportdirektor Jens Todt. Dafür sorgte der neue Präsident und Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann. 2011 hatte sich der Verein noch von Hoffmann nach acht Jahren als Vorstandschef getrennt. Kritiker warfen ihm seinerzeit vor, er habe sich wie ein Sonnenkönig aufgeführt. Als "Alleinunterhalter" bezeichnete HSV-Mäzen Klaus-Michael Kühne auch noch kürzlich den Vereinspräsidenten. Das Prädikat trifft in gewisser Weise auch auf Kühne zu. Der 80-Jährige ist die graue Eminenz im Verein. Ohne die Millionen, die der Milliardär seit Jahren in den Klub pumpt, wäre der Verein schon längst handlungsunfähig.
Chance für Neuanfang
Der Hamburger SV braucht nicht erst seit heute einen Neuanfang, sportlich wie strukturell. Dazu bietet der bittere Gang in die 2. Liga eine Chance. Der letzte Dinosaurier der Bundesliga ist mit dem Abstieg endgültig Geschichte. Das Fußballleben geht trotzdem weiter.
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