Bundesliga-Dino HSV: Ende nach 55 Saisons
Jetzt hat es auch das letzte Gründungsmitglied der Bundesliga erwischt. Der Hamburger SV steigt ab - nach 55 Jahren, die ihn in höchste Höhen und an den Abgrund führten. Bis er auch noch den letzten Schritt machte.
Remis zum Auftakt
Der Hamburger SV, im Norden zu jener Zeit noch eindeutig die Nummer eins der Fußballklubs, gilt am ersten Spieltag der neuen Bundesliga am 24. August 1963 in Münster als klarer Favorit. Doch Preußen geht vor 38.000 Zuschauern durch einen verwandelten Elfmeter von Falk Dörr in Führung. HSV-Stürmer "Charly" Dörfel gelingt mit einem Kopfballtor noch der Ausgleich zum 1:1-Endstand.
Uns Uwe
Uwe Seeler prägt mit seinen Toren das erste Bundesliga-Jahrzehnt der Hamburger. In der ersten Saison wird "Uns Uwe" mit 30 Treffern der erste Torschützenkönig der Liga. Die Vormachtstellung im Norden verliert der HSV zunächst an Werder Bremen, das sich 1965 den Meistertitel holt. Chancen auf den Meistertitel haben die Hamburger erstmals 1975, am Ende werden sie Zweiter hinter Mönchengladbach.
Mister Bananenflanke
Nach Uwe Seeler wird Manfred Kaltz zur HSV-Institution. In 581 Bundesliga-Spielen trägt der rechte Verteidiger von 1971 an zwei Jahrzehnte lang das Trikot mit der Raute. 53 seiner insgesamt 76 Bundesligatore erzielt Kaltz per Elfmeter. Legendär sind seine so genannten "Bananenflanken" von rechts in den Strafraum, bevorzugt auf die Stirn von Kopfballungeheuer Horst Hrubesch.
Zirkus Krohn
Peter Krohn (l.) leitet von 1973 an die Geschicke des HSV, erst als Präsident, dann als Manager. Er besorgt dem Team den ersten Trikotsponsor. Für Krohn ist Fußball auch Show. Für die Saison 1976/77 verordnet er der Mannschaft Trikots in Rosa und Babyblau, da, wie er sagt, "diese Farben Frauen gefallen". In der Presse wird der HSV abfällig "Zirkus Krohn" genannt.
Erster Europapokal
1977 landet der HSV in der Bundesliga auf dem sechsten Platz - darf sich aber über seinen ersten internationalen Titel freuen. Der DFB-Pokalsieger von 1976 holt sich mit einem 2:0-Sieg in Amsterdam gegen den RSC Anderlecht den Europapokal der Pokalsieger. Georg Volkert und Felix Magath (2.v.r.) erzielen in der Schlussphase die Treffer für den HSV.
Mighty Mouse
Mitte 1977 gelingt Manager Krohn ein Transfercoup. Für die damalige Rekordsumme von 2,3 Millionen Mark eist der HSV Kevin Keegan (r.) vom FC Liverpool los. Der nur 1,70 Meter große Torjäger, "Mighty Mouse" genannt, geht als erster ausländischer Superstar in die Bundesliga-Annalen ein. In den drei Jahren an der Elbe wird Keegan zweimal "Europas Fußballer des Jahres" - und bringt den HSV nach vorn.
Erfolgsmanager Netzer
"Das kann ich nicht", antwortet Günter Netzer (r.), als HSV-Präsident Paul Benthien dem Ex-Star von Borussia Mönchengladbach nach dem Karriere-Ende 1977 anbietet, Manager zu werden. Ein Jahr später übernimmt Netzer den Posten beim HSV und behält ihn bis 1986. Er holt die Erfolgstrainer Branko Zebec und Ernst Happel und verpflichtet Topspieler wie Horst Hrubesch oder Jimmi Hartwig (l.).
Meister 1979
Horst Hrubesch stemmt 1979 die Meisterschale in den Hamburger Himmel. Der Knoten ist geplatzt. Erstmals seit Gründung der Bundesliga heißt der deutsche Meister Hamburger SV. Unter Trainer Zebec rettet der HSV am Ende einen Punkt Vorsprung vor dem VfB Stuttgart über die Ziellinie. Erfolgreichster Torschütze in der Meistersaison ist Kevin Keegan mit 17 Treffern, gefolgt von Hrubesch mit 13 Toren.
Finale verloren
Die folgende Saison beendet der Titelverteidiger als Vizemeister hinter dem FC Bayern. Im Europapokal der Landesmeister schafft es der HSV ins Finale nach Madrid. Der Gegner aus England, Nottingham Forest, gewinnt dank eines Treffers von John Robertson (Nr. 11) mit 1:0. Der Ball prallt vom rechten Innenpfosten ins Tor. HSV-Torwart Rudi Kargus ist ohne Chance.
Kaiser an der Elbe
Im Herbst seiner Karriere stößt der "Kaiser" zum HSV. "Hättest du nicht noch einmal Lust auf die Bundesliga?", fragt Manager Netzer seinen alten Freund Franz Beckenbauer, als sich dessen Tage bei Cosmos New York 1980 dem Ende zuneigen. Häufig verletzt, bringt es Beckenbauer bis 1982 nur auf 28 Liga-Einsätze für den HSV. Er verabschiedet sich jedoch mit einem Meistertitel aus der Bundesliga.
Der Grantler, der keiner war
Dem Alkoholiker Zebec, der seinen HSV-Trainerposten im Dezember 1980 verliert, folgt nach kurzer Interimszeit 1981 der Kettenraucher Ernst Happel. Der als "Grantler" verschriene Österreicher führt den HSV 1982 und 83 zu zwei Meistertiteln in Folge. "Er wurde ja immer als knurrender Hund hingestellt, aber er war das Gegenteil", sagt Horst Hrubesch später über Happel. "Er war einfach ein guter Typ."
Magaths Traumtor
25. Mai 1983, Athen: Der Hamburger SV spielt im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin. In der 8. Minute zieht Felix Magath von der linken Strafraumgrenze ab, der Ball fliegt zum 1:0 ins rechte obere Toreck. Es bleibt der einzige Treffer des Spiels. Der HSV gewinnt die wichtigste Trophäe im europäischen Vereinsfußball.
Zwei Trophäen
Der Hamburger SV ist auf dem Höhepunkt. Dem Triumph in Athen folgt der deutsche Meistertitel auf Schalke: Mit einem 2:1-Auswärtssieg hält der HSV die punktgleichen Bremer auf Distanz. Am Tag danach präsentiert die Mannschaft um Trainer Happel (l.) und Torjäger Hrubesch (r.) den Fans die eroberten Trophäen: den Europapokal der Landesmeister und die Meisterschale.
Ende der goldenen Ära
Das höchste Niveau kann der HSV in den folgenden Jahren nicht halten. Immerhin folgen noch zwei Vizemeisterschaften (1984, 1986) und der vorläufig letzte Titel der Hamburger: 1987 gewinnen "Manni" Kaltz (l.) und Co. durch einen 3:1-Sieg gegen die Stuttgarter Kickers den DFB-Pokal.
Jahrhundertspiel
Die glorreichen Zeiten in den 1980er Jahren verblassen. In der Bundesliga landet der Klub häufig im Mittelfeld. Ausnahme 2000: Der HSV qualifiziert sich als Dritter für die Champions League - und sorgt beim 4:4 gegen Juventus Turin für ein "Jahrhundertspiel": Nach 1:3-Rückstand holt der HSV auf, geht durch Niko Kovac (r,) 4:3 in Führung und kassiert kurz vor Ende noch den Ausgleich per Elfmeter.
Immer wieder Bremen
In der Saison 2008/09 tanzt der HSV lange auf drei Hochzeiten. Im Mai 2009 verspielt er jedoch in vier aufeinanderfolgenden Spielen gegen den Erzrivalen Bremen sämtliche Chancen auf den ersten Titel seit 22 Jahren. Hamburg zieht im Halbfinale des DFB-Pokals, in der Vorschlussrunde des UEFA-Cups und auch am 31. Bundesliga-Spieltag gegen Werder den Kürzeren. In der Liga wird der HSV Fünfter.
Eine Packung nach der anderen
Sinnbildlich für den Niedergang des HSV in den vergangenen Jahren sind die Gastauftritte in München: Seit 2011 schenkte der FC Bayern den Hamburgern in acht Bundesligaduellen insgesamt 50 Tore ein, der HSV traf nur dreimal. Besonders schlimm erwischt es den HSV im März 2013 beim 2:9. Nicht nur Torwart René Adler (r.) ist ratlos.
Haarscharf Klassenerhalt
Die Saison 2013/14 verläuft für den HSV desaströs. Mit Thorsten Fink, Rodolfo Cardoso und Bert van Marwijk verschleißt der Verein gleich drei Trainer. Unter dem vierten, Mirko Slomka, landet der HSV schließlich auf dem Relegationsplatz. Mit zwei Unentschieden gegen Greuther Fürth rettet sich das Bundesliga-Gründungsmitglied gerade so vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte.
Wieder knapp am Abstieg vorbei
Auch 2015 muss der HSV in die Relegation. Im Rückspiel in Karlsruhe liegen die Hamburger kurz vor Schluss 0:1 hinten. Bleibt es dabei, ist der HSV abgestiegen. Doch in der Nachspielzeit segelt ein Schuss von Marcelo Diaz ins linke Eck. KSC-Torwart Dirk Orlishausen ahnt das Unheil. Nicolai Müller erlöst den HSV mit seinem Siegtor in der zweiten Hälfte der Verlängerung.
Ende im Tumult
Nach fast 55 Jahren ist 2018 der erste Abstieg der HSV-Vereinsgeschichte perfekt. Die Aufholjagd zum Saisonende ist vergebens. Auch ein 2:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach nutzt nichts mehr. Chaoten sorgen mit dem Abbrennen von Knallkörpern und Pyrotechnik für ein unrühmliches Ende. Nur unter Polizeischutz kann Schiedsrichter Felix Brych die Partie schließlich abpfeifen.