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Glaubwürdigkeit ist keine Olympia-Disziplin

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
9. Februar 2018

Zum Auftakt der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang schwärmt IOC-Präsident Bach von der einzigartigen Kraft des Sports. Die Wahrheit ist: Der olympische Sport verliert zunehmend an Rückhalt, meint Joscha Weber.

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Pyeongchang 2018 Eröffnungsfeier
Bild: picture-alliance/AP Photo/N. Pisarenko

Zufrieden lächelnd grüßt der IOC-Präsident von der Tribüne. Dick eingepackt in seinen Wintermantel winkt Thomas Bach mit ausgestrecktem Arm in den Innenraum. Dort strömen die Protagonisten der Olympischen Winterspiele 2018 ins Stadion von Pyeongchang. Darunter ein gemeinsames koreanisches Team. Ein überraschendes und starkes Signal für eine Annäherung zwischen Nord- und Südkorea, die insbesondere während der vergangenen Monate voller Kriegsrhetorik und Drohgebärden noch unmöglich erschien. Zugleich ist der koreanische Athleten-Schulterschluss unter weiß-blauer Flagge ein Symbol des olympischen Friedens, das von anderen Missständen im Olympia-Reich ablenkt.

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DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Olympische Spiele sind heute eine Multi-Milliarden-Investition, die leider weder nachhaltig noch verantwortlich ist"

Was sind die Spiele eigentlich heute noch?

IOC-Chef Thomas Bach weiß das und spinnt das Narrativ der wunderbaren olympischen Bewegung fort. Es sei die "einzigartige Kraft des Sports, Menschen zu vereinen", sagt Bach und freut sich sichtlich über die Friedensbotschaft, die vom koreanischen Athleten-Einmarsch in die Welt gesendet wird. Was er freilich nicht sagt: Die Kraft des Sports schwindet an anderer Stelle.

Man sollte sich von den spektakulären Bildern der Eröffnungs-Show nicht blenden lassen. Die Olympischen Spiele sind zwar ein wunderbarer Gedanke, ihre Neubelebung 1896 durch Pierre de Coubertin eine der vielleicht schönsten Ideen der Moderne. Doch was sind die Spiele heute eigentlich noch?

  • Ein friedvolles Fest der Jugend? 2014 bereitete Gastgeber Russland während der Spiele von Sotchi die Militärintervention auf der Krim vor. Viele Tote waren die Folge.
  • Ein Symbol des Lebensstils, der auf "der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit (…) aufbaut", wie es in der Olympischen Charta heißt? Olympische Spiele sind heute eine Multi-Milliarden-Investition, die nur noch von sehr wenigen Ländern gestemmt werden kann und die aus Erfahrung eben leider weder nachhaltig noch verantwortlich ist.
  • Ein fairer Wettstreit? Die Geschichte des Betrugs ist ebenso lang wie die der Spiele, doch dass inzwischen Staaten systematisch dopen lassen, ihre Machenschaften mit Geheimdienstarbeit vertuschen und schließlich mit alldem auch noch davonkommen, verleiht dem Betrug eine ganz neue Qualität.

Was also bleibt noch von der Idee der Spiele? Für den unkritischen Zuschauer natürlich immer noch packende Duelle, Millimeter-Entscheidungen und große Emotionen. Doch wie lange lässt sich die Masse davon noch blenden? Teilweise flächendeckendes Doping und dessen mangelhafte oder manchmal sogar unwillige Aufklärung gefährden die vielzitierte Integrität des Sports. Dass die Spiele riesige Baumaßnahmen, Waldrodungen, Stadien, die anschließend keiner braucht und einfach viel zu hohe Kosten mit sich bringen, fördert diesen Prozess. Die Menschen verlieren die Lust am Spiel.

8,3 Milliarden sollen die Spiele kosten - oder noch mehr?

Zahllose Metropolen zogen ihre Olympia-Bewerbungen in den letzten Jahren zurück oder scheiterten am Unwillen der Bürger, wie auch Hamburg oder München, welches diese Spiele eigentlich austragen wollte. Und Pyeongchang? Lange Zeit verlief der Ticketverkauf schleppend, zum Auftakt sollen immer noch erst 78 Prozent der Eintrittskarten abgesetzt worden sein. Für neun von zwölf Sportstätten gibt es kein schlüssiges Zukunftskonzept. 8,3 Milliarden Euro sollen diese Spiele kosten, aber daran glaubt kaum jemand. Aus Erfahrung wird es am Ende noch mehr sein, siehe Rio oder Sotschi. Misstrauen ist also zum ständigen Begleiter der Spiele geworden. Es ist an der Zeit, dass Glaubwürdigkeit wieder eine olympische Disziplin wird.

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