Gemeinsam oder allein?
Man könnte diesen Kommentar wie bei den vergangenen acht Besuchen der Bundeskanzlerin in Peking schreiben: Hat sie die Menschenrechte ausreichend deutlich angesprochen, hat sie sich mit bedrohten Künstlern und Anwälten getroffen, hat sie die neuen repressiven NGO-Gesetze missbilligt, hat sie den freien Marktzugang für ausländische Investoren gefordert, hat sie die Überkapazitäten und Dumpingpreise der chinesischen Stahlindustrie kritisiert? Hat sie.
Ein Schritt in eine neue Richtung
Das ist die Gegenwart. Die Zukunft blitzt an unerwarteter Stelle auf - in der gemeinsamen Abschlusserklärung. Im Kapitel II geht es da um die "Zusammenarbeit in Drittländern und auf Drittmärkten". In Afghanistan läuft das erste trilaterale Projekt, an dem Deutschland und China beteiligt sind - im Katastrophenschutz und bei einer Hochschulkooperation im Bergbau. Das sieht nach einem kleinen Schritt aus, für China aber, das sonst strikt eine Politik der Nicht-Einmischung verfolgt, ist es einer in eine neue Richtung. Die Idee der Deutschen dabei: China einbinden und sein Gewicht nutzen. In den Atomverhandlungen mit dem Iran hat das bereits funktioniert.
Marktmacht neuer Dimension
Bei der Zusammenarbeit auf Drittmärkten lautet die Idee der Deutschen: China einbinden, seine Wirtschaftskraft nutzen und Geld verdienen. Nur als Beispiel: Wenn die China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) und Siemens bei Hochgeschwindigkeitszügen gemeinsam auf Drittmärkte losrollen, flankiert von der China-Railways-Gruppe und der Deutsche Bahn AG auf den Gebieten chinesisch-europäischer Liniengüterzugtransport, Hochgeschwindkeitsbahnbetrieb und -wartung - dann entsteht da eine Marktmacht neuer Dimension.
Dann kommt die noch fernere Zukunft. Denn auch die Chinesen haben Ideen: Technologie-Transfer, vom besseren Image der Deutschen auf Drittmärkten lernen, Geld verdienen und dann allein weitermachen. Könnte so passieren. Das Muster entspräche dem, das deutsche Unternehmer oft beklagen.
Das zu verhindern, kann Deutschland allein nicht gelingen. Die Europäische Union wäre groß genug, dafür müsste sie allerdings eine gemeinsame China-Strategie haben. Im Moment sorgt jeder zuerst für sich, und China weiß das zu nutzen. Und nur, weil der Respekt vor Angela Merkel und dem wirtschaftlichen Powerhouse Deutschland vergleichsweise groß ist, heißt das nicht, dass die Ziele hier anders aussehen. Teile und herrsche - dem sollten die EU-Regierungschefs einschließlich der deutschen Kanzlerin etwas entgegenzusetzen haben: Gemeinsam sind wir nicht zu schlagen.
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