Europäische Union und Vereinte Nationen haben eingeladen. Vertreter von über 85 Nationen reisen an zur Syrien-Geberkonferenz nach Brüssel. Bei der jüngsten Konferenz zur "Unterstützung Syriens und der Region" kamen vor einem Jahr über vier Milliarden Dollar zusammen. Diesmal hoffen die Organisatoren auf noch mehr Geld.
Geld, das Syrien dringend benötigt. Nach acht Jahren Krieg ist das Land in weiten Teilen zerstört, liegt die Infrastruktur in Trümmern. Die Kosten für den Wiederaufbau schätzen die Vereinten Nationen auf rund 400 Milliarden Dollar. Aber Hilfe beim Wiederaufbau ist in Brüssel ein Tabuthema. Weil in Damaskus immer noch Baschar al-Assad an der Macht ist. Und nichts was auch nur entfernt wie Hilfe für Assad aussehen könnte, darf hier diskutiert werden.
Politik als Kunst des Möglichen
Politik, so heißt es oft, sei die Kunst des Möglichen. Dann muss man mit der Tatsache umgehen, dass Assad auch nach acht Jahren blutigen, schmutzigen Krieges immer noch die Geschicke Syriens bestimmt. Ob einem das gefällt oder nicht. Und wenn man den Schutz und die Interessen der syrischen Bevölkerung ernst nimmt, muss man Bedingungen schaffen, die einen Wiederaufbau möglich machen. Man muss dafür noch nicht einmal Geld nach Damaskus überweisen. Es würde schon helfen, die massiven Sanktionen aufzuheben, unter denen das Land seit 2011 steht - und die stetig verschärft wurden.
Ein Beispiel: Vor dem Einbruch des Winters hat im vergangenen November das US-Finanzministerium den Transport von Öl und Gas zu syrischen Häfen unter Sanktionen gestellt. Die Folge: Treib- und Brennstoffe wurden sehr schnell extrem knapp und teuer. Weil die Transportkosten stiegen, explodierten auch die Preise für Nahrungsmittel. Nun leben aber zwei Drittel der Syrer laut UN-Angaben in extremer Armut. 90 Prozent geben über die Hälfte ihres Einkommens für Essen aus - und können solche Preissteigerungen nicht auffangen. Und fallen weiter ins Elend. Man darf zugleich davon ausgehen, dass der Präsidentenpalast in Damaskus weiter gut geheizt ist und auch der Tisch dort reich gedeckt ist.
Es ist bittere Ironie, dass Maßnahmen, die mit der Sorge um Menschenrechte begründet werden, tatsächlich die Lebensbedingungen genau dieser Menschen in Syrien massiv verschlechtern. Allein die Sanktionen der Europäischen Union gegen Syrien umfassen 14 verschiedene Kategorien. Darunter fallen so essenzielle Dinge wie Kraftwerksausrüstungen, Ausrüstungen für die Öl- und Gasindustrie oder vor allem Finanzsanktionen. Selbst der Kauf von Medikamenten und Geräten für das - kostenlose - Gesundheitssystem wird durch die Finanzsanktionen extrem erschwert. Das Verbot des Handels mit Ausrüstungen, Maschinen und Ersatzteilen setzt der ohnehin angeschlagenen syrischen Industrie zu. Fehlende Wasserpumpen treffen die Menschen direkt - und weil dadurch auch die Landwirtschaft leidet, auch indirekt.
Im eigenen Interesse Europas
Die Hilfsorganisation Oxfam hat zum Beginn der Brüsseler Konferenz auf den Widersinn hingewiesen, dass die Geldgeber eher das Verteilen von Brot fördern, als die Wiederherstellung der Stromversorgung einer Bäckerei. Statt Brunnen zu bauen, wird Wasser herbeigeschafft. Damit fühlen sich vielleicht die Diplomaten im Brüsseler Konferenzgebäude gut. Aber für die Menschen in Syrien ist das entwürdigend. Die wollen sich ein Leben aufbauen und keine Almosen. Stattdessen werden sie in Kollektivhaft genommen für die Verbrechen des Assad-Regimes. Aber auch wer unter Assad lebt, hat ein Recht auf Strom-, auf Wasserversorgung, braucht medizinische Versorgung, braucht Verkehrsmittel. Wer den Syrern wirklich helfen will, sollte ihnen keine Steine in den Weg legen, wenn sie sich das wieder aufbauen wollen.
Nebenbei bemerkt wäre das auch im ureigensten europäischen Interesse. Wenn die Menschen in Syrien eine wirtschaftliche Zukunft haben, ist das die beste Versicherung gegen ein Wiedererstarken von Dschihadismus und Terrorismus. Und: Weniger Menschen werden das Land Richtung Europa verlassen.