Nicht nur Gewinner
18. Juli 2014Nun gehen die Atomgespräche mit dem Iran in die Verlängerung. US-Präsident Barack Obama hat dafür grünes Licht gegeben, und auch Irans Präsident Hassan Rohani hat erklärt, eine Fortsetzung der Gespräche sei sinnvoll. Da beide Seiten eine vernünftige und dauerhafte Beilegung des Atomkonflikts anstrebten, könne jeder damit leben. Dabei war in der Vergangenheit oft die Rede davon, dass eine Einigung eine "Win-Win-Situation" darstellen würde. Aber wie soll diese eigentlich aussehen?
Eine "Win-Win-Situation" wäre im Klartext ein Happy-End für alle Beteiligten am Atomstreit: Jeder sollte nach Beilegung des jahrelangen Atomkonflikts glücklich den Verhandlungsraum verlassen: die Amerikaner, deren westliche Verbündete, aber auch die Russen, die Chinesen und nicht zuletzt der Iran selbst.
Und was ist mit den anderen? Etwa mit den Regionalmächten Saudi-Arabien oder Israel? Oder mit den Golfstaaten? Können auch sie sich nach einer Einigung sicher fühlen, ohne Angst haben zu müssen vor weiteren nuklearen Aktivitäten der Ayatollahs im Iran? Das wäre naiv. Die Lage ist viel komplexer als das, was die Verhandlungspartner unter dem Titel "Das Wunder von Wien" verkaufen wollten. Denn im Grunde kann es keine Lösung geben, aus der nur Gewinner hervorgehen. Und auch der Iran wird am Ende kein Sieger im eigentlichen Sinn sein - egal, wie die Gespräche ausgehen. Dafür haben die Mullahs bereits zu viele Milliarden in ihr bisheriges Atomprogramm investiert - und zu viel diplomatisches Porzellan im Verhältnis zu ihren Nachbarstaaten zerschlagen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die jetzt ausgehandelte Verlängerung der Gespräche um weitere sechs Monate keine Hinhaltetaktik der Ultra-Konservativen. Im Grunde ist Teheran auf einen Erfolg in den Gesprächen dringend angewiesen. Denn die Wirtschaftssanktionen haben deutliche Spuren hinterlassen. Die Ölproduktion nimmt rasant ab. Iran, einst zweitgrößter Ölproduzent der OPEC, belegt nun nur noch Platz fünf, hinter Kuwait, den Arabischen Emiraten und sogar hinter dem Irak, der zurzeit vom Staatszerfall bedroht ist.
Das wirtschaftliche Leben im Iran ist ins Stocken geraten. Das Land steckt seit 2012 in der Rezession. Hohe Inflation, steigende Arbeitslosigkeit, lähmende Einschränkungen beim Geldtransfer sowie bei Lieferungen von Ersatzteilen sind nur einige Beispiele für die finanziellen und wirtschaftlichen Engpässe, mit denen das Land zu kämpfen hat. Hinzu kommt die unbeherrschbare Korruption, die über fast alle staatlichen Institutionen und Einrichtungen ihren langen Schatten geworfen hat. Alles in allem eine nicht mehr tragbare Situation.
Zum anderen wartet die iranische Bevölkerung auf den ersten Erfolg Rohanis. Der neue Präsident ist mittlerweile fast ein Jahr im Amt, doch er hat bis jetzt sehr wenig von seinen Wahlversprechen in die Tat umgesetzt. Seine wichtigste Errungenschaft ist zweifelsohne die Lockerung der Sanktionen und die Minderung der Spannungen in den Beziehungen Irans mit dem Westen und seinen Nachbarn.
Der Kurswechsel Rohanis im Atomstreit war ein Wendepunkt in der Außenpolitik Irans. Aber nun hofft man zu Recht auf eine dauerhafte Lösung des Atomkonflikts und auf die damit verbundene Verbesserung der politischen sowie wirtschaftlichen Situation im Iran. Mit jeder Verzögerung hierbei büßen die neue Regierung und die moderaten Kräfte im Iran Ansehen und Glaubwürdigkeit ein. Dagegen werden sich die Hardliner, und das nicht nur im Iran, bestätigt fühlen.
Man muss auch auf iranischer Seite endlich begreifen, dass eine "Win-Win-Lösung" nicht möglich ist. Ganz gleich, wie man es später verkauft, für den Iran kann es nur darum gehen, weiteren Schaden vom Land abzuwenden. Hier existiert keine Alternative. Das ist der Preis für ein wahnsinniges und illusorisches Abenteuer. Je schneller Teheran dies versteht, desto niedriger wird dieser Preis ausfallen.