Auf diesen Tag hat die Republik Mazedonien 26 Jahre gewartet. Für das kleine, isolierte Balkanland war es immer eine Überlebensfrage, Mitglied des stärksten Militärbündnisses der Welt zu werden. Nach innen bedeutet es einen stärkeren ethnischen und gesellschaftlichen Zusammenhalt; nach außen, dass die Grenzen zu den Nachbarländern gesichert sind. Es war kein Zufall, dass das mazedonische Parlament schon 1993 über eine Beitrittserklärung zur NATO abgestimmt hat. Die blutigen Auseinandersetzungen in den anderen Teilen des früheren Jugoslawien haben die Grenzen Mazedoniens zum Glück nie erreicht - aber die Gefahr bestand immer.
Auf der anderen Seite wird die Republik Mazedonien dieses Ziel selbst nicht mehr erleben. Denn die Tage des Landes sind gezählt. Sogar auf der Website der NATO wird das künftige Mitglied nicht einmal namentlich erwähnt: "Am Mittwoch, den 6. Februar 2019, unterzeichnen die Ständigen Vertreter der 29 Mitgliedsstaaten der Allianz das Beitrittsprotokoll mit Skopje."
Skopje ist - versteht sich - die Hauptstadt des bisherigen wie des künftigen Landes. Denn sobald Ende dieser Woche das griechische Parlament dieses Beitrittsprotokoll ratifiziert hat, erblickt ein "neuer" Staat das Licht der Welt: die Republik Nord-Mazedonien.
War es das wert?
Das war der Preis, den Mazedonien für den Beitritt zahlen muss. Für viele Bürger des Landes ist dieser Preis zu hoch, jedoch - zum Glück - nicht für die, die politisch das Sagen haben. Es brauchte eine Menge Courage und politischen Willen in Skopje und Athen, um den sogenannten Namensstreit zu lösen, der seit 2008 den Beitritt Mazedoniens zu NATO und EU blockiert und die Beziehung beider Völker für Jahrzehnte vergiftet hatte.
Und doch werden sich viele fragen: War es das wert, den Namen des Landes zu ändern, ein Stück der eigenen Geschichte aufzugeben nur für die NATO-Mitgliedschaft?
Ja, das war es wert - nicht zuletzt, weil es dem Land eine Zukunft in Stabilität und hoffentlich auch des Wohlstandes garantiert. Aber vor allem auch, weil es zumindest ein Kapitel der ewigen Konflikte zwischen benachbarten Balkanstaaten beendet. Es gibt künftigen Generationen die Chance, für die Zukunft zu planen, anstatt weiter in historischen Gräben herumzubuddeln.
Der NATO-Beitritt Nord-Mazedoniens sollte die "mazedonische Frage" ein für alle Mal erledigen, die die Region viel zu lange belastet hat. Außerdem sorgt er für Stabilität in einer Gegend, in der die Geister der Vergangenheit immer wieder aus der Flasche gelassen werden können - vor allem mit Blick auf die anstehende endgültige Lösung für einen Staat Kosovo.
Eine Erfolgsgeschichte auf dem Westbalkan?
(Nord-)Mazedonien hat keine eigene Armee, und das jährliche Bruttosozialprodukt liegt näher an dem einer unterentwickelten Stadt in Deutschland als an dem eines entwickelten Landes. Dennoch haben die USA und die führenden Länder Europas schon vor langer Zeit erkannt, dass eine Bindung des Landes viel mehr wert ist als das Risiko weiterer Unruhe auf dem Balkan. Dass Nord-Mazedonien ein seltenes Beispiel für eine - mehr oder weniger - funktionierende multiethnische Demokratie in einer instabilen Weltregion ist, ist ein weiterer Vorteil der künftigen NATO-Mitgliedschaft. In militärischer oder wirtschaftlicher Hinsicht hat das Land nichts zu bieten. Das Beispiel, das es den Nachbarländern Serbien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina in Sachen erfolgreicher Konfliktlösung gibt, kann dafür umso wertvoller sein.
Für (Nord-)Mazedonien beginnt jetzt ein neues Kapitel. Vor dem Land liegen noch eine Menge Hindernisse und schwierige Aufgaben. Es braucht Reformen in allen Teilen der Gesellschaft, das Land muss seinen inneren Zusammenhalt neu aufbauen, und es braucht eine Wirtschaft, die mehr leistet, als Talent und Wissen ins Ausland zu vertreiben. Wenn sich die Europäische Union entschließt, die Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien im Juni endlich aufzunehmen, kann das zusammen mit dem Beitritt zur NATO der Anfang einer Erfolgsgeschichte auf dem Westbalkan sein - einer Gegend, die so lange in Vergessenheit geraten war.