Ein guter Kompromiss muss beiden wehtun
Als wäre der langjährige Konflikt um Zypern und den Festlandsockel in der Ägäis nicht schon genug: Nun streiten sich die NATO-Partner Türkei und Griechenland um ein Seegebiet im östlichen Mittelmeer, das beide als Teil ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone betrachten und aus dem sie ökonomischen Nutzen ziehen wollen.
Der Streit entzündet sich an der Mission des türkischen Forschungsschiffes "Oruc Reis", das nach Erdgasvorkommen in der Region sucht - und auch schon fündig geworden ist. Natürlich steht für die Türkei unter Präsident Erdogan außer Frage, dass sie vielversprechenden Lagerstätten allein ausbeuten will.
Rechtsgrundlage nicht anerkannt
Als rechtlicher Kompass in solchen komplexen Fällen dient das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1982, das die Türkei allerdings nicht unterzeichnet hat. Nach fast einhelliger Juristenmeinung spiegelt das Übereinkommen geltendes Völkergewohnheitsrecht wider - und ist somit auch für diejenigen bindend, die nicht mitmachen.
Doch auch davon will die Türkei nichts wissen. Stattdessen hat Ankara ein bilaterales Meeresabkommen mit Libyen unterzeichnet und leitet daraus den Anspruch ab, vor der Küste Zyperns und Kretas nach Erdgas zu bohren. Und das kann nicht sein: Dieses Vorgehen ist der klassische Fall von einem völkerrechtlichen "Vertrag zu Lasten Dritter". Und solche Verträge öffnen militärischer Gewalt Tür und Tor und erinnern an die dunkelsten Stunden der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert.
Damit kann und darf sich die internationale Gemeinschaft nicht abfinden. Was also tun? Zunächst einmal geht es darum, weitere Aggressionen wie provozierende Flottenmanöver zu unterbinden - wenn möglich durch Gespräche, wenn nötig auch durch smarte Sanktionen. Die Vorstellung von einem Krieg mitten im Mittelmeer, zumal unter NATO-Partnern, erscheint nämlich geradezu absurd. Das Problem ist nur: In dieser Ecke der Welt ist einiges absurd - und geschieht trotzdem.
Abschied von Maximalpositionen
Im Idealfall muss der Internationale Gerichtshof in Den Haag als Streitschlichter zwischen Griechenland und der Türkei dienen - vorausgesetzt natürlich, beide Länder akzeptieren seine Jurisdiktion und erklären sich im Voraus bereit, das Urteil umsetzen. Ende der 1990er-Jahre wäre es fast dazu gekommen. Doch 2004 ruderten die damals neu gewählten Konservativen in Athen zurück - offenbar aus Angst, dass die Richter in Den Haag ihren Vorstellungen nicht in vollem Umfang entsprechen könnten.
Allein dieses Beispiel zeigt: Auch Griechenland muss sich von dem einen oder anderen seiner Ideale verabschieden - vermutlich auch von der Idee, die gesamte Ägäis sei so etwas wie ein geschlossenes, ausschließlich griechisches Seegebiet.