Nein, ich fahre kein Auto mit Dieselantrieb, um das gleich zu sagen. Aber ich kann die Autofahrer verstehen, die nach drei Jahren politischem Schlingerkurs in der Dieselfrage die Nase voll haben. Die wütend und enttäuscht sind. Weil sie gefühlt alle paar Wochen immer neue Hiobsbotschaften entgegennehmen mussten. Wenn wieder einmal die Grenzwerte für Stickoxide in der Luft überschritten wurden. Wenn immer mehr Städte Fahrverbote ankündigten. Wenn auch im dritten Jahr der Krise noch neue Betrugsfälle der Autobauer aufflogen.
Und jetzt? Ist nach dem nächtlichen Dieselgipfel der Bundesregierung alles wieder gut? Sind die Probleme jetzt gelöst? Mitnichten. Es ist ein fauler Kompromiss, den CDU, CSU und SPD in einer langen Nachtsitzung ausgehandelt haben und der für die gebeutelten Dieselfahrer eins ganz sicher nicht ist: eine wirkliche Wiedergutmachung. Zur Erinnerung: In den USA konnte jeder Besitzer eines Betrugsdiesels sein Auto einfach zurückgeben und wurde dazu noch entschädigt. Davon können deutsche Betroffene weiterhin nur träumen.
Umrüstung oder Prämie
Hierzulande sollen Dieselfahrer nun die Wahl zwischen einer Hardware-Umrüstung für das alte Auto und einer Umtauschprämie für den Kauf eines neuen Wagens haben. Hört sich besser an, als es ist. Denn erstens steht die Hardware-Nachrüstung in dem Umfang, in dem sie für die vielen Millionen alter Dieselfahrzeuge gebraucht würde, aus technischen Gründen überhaupt nicht zur Verfügung. Das war aber auch vor dem Dieselgipfel schon klar. Zweitens ist es lediglich eine Kann-Bestimmung. Der Bund erwarte vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt, heißt es von Seiten der Regierung.
Zwingen könne man niemanden, erklärt Verkehrsminister Andreas Scheuer achselzuckend und zeigt auf die SPD, die auf Umrüstungen gedrängt hat. Scheuer votierte von Anfang an für die auch von der Automobilindustrie favorisierten Umtauschprämien. Da kann man nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einen Diesel-Stinker aus dem Verkehr ziehen und der Branche zum Geschäft mit einem neuen Auto verhelfen. Umrüstung kostet nur und verkauft nichts.
Wer soll das bezahlen?
Allerdings sind die wenigsten Autobesitzer finanziell in der Lage, sich einfach so ein neues Fahrzeug zu kaufen. Das ist eine Anschaffung, die langfristig geplant und vor allem finanziert sein will. Für die angebotene Prämie plus der Inzahlungnahme des alten Autos bekommt man nämlich selbstverständlich keinen gleichwertigen Ersatz. Aber wie sagte Scheuer schon vor dem Gipfel: Ein Rundum-Sorglos-Paket werde nicht drin sein.
Mehr Hilfe können Gewerbetreibende, also beispielsweise Handwerker, Taxifahrer, aber auch die Kommunen erwarten. Für sie soll es Förderprogramme für die Nachrüstung geben, mit denen 80 Prozent der Kosten abgedeckt werden. Dafür muss der Steuerzahler aufkommen, also alle Bürger. Das erinnert ein Stück an die Bankenrettung in der Finanzkrise. Da verschonte die Politik ebenfalls die Verursacher und bürdete den Schaden der Allgemeinheit auf. Erinnert sich in der Politik noch jemand daran, wohin das geführt hat? Zu Politikverdrossenheit und wachsendem Populismus.
Bewegung brachten erst die Fahrverbote
Dass sich die Bundesregierung überhaupt bewegt hat, ist sowieso nur Ergebnis der Gerichtsentscheidung, dass der Schutz der Gesundheit mehr wiegt als die freie Fahrt für freie Bürger. Drei Jahre lang hat die Bundesregierung das Problem lediglich verschleppt, in der Hoffnung, es werde sich schon von alleine erledigen. Irgendwann würde der Zahn der Zeit die alten Selbstzünder schon von den Straßen fegen. Eine Sichtweise, die von den Autobauern befeuert wurde, die bekanntlich schon immer einen guten Draht ins Kanzleramt hatten und um ihre Pfründe fürchteten.
Deutschland ist ein Land der Autofahrer. Rund 46 Millionen Personenkraftwagen waren Anfang dieses Jahres in Deutschland zugelassen. Davon fahren 30 Millionen mit Benzin und 15 Millionen mit Diesel. Dazu kommen kleine und große Lastkraftwagen und Busse.
Millionen wütender Autobesitzer sind also zugleich Millionen wütender und zunehmend politikverdrossener Wähler. Die sich von den ohnehin angeschlagen Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD abwenden.Noch in diesem Monat wird in Bayern und Hessen gewählt und im kommenden Jahr werden in weiteren Bundesländern die Bürger und damit auch die Autofahrer an die Wahlurnen gerufen. Muss man erwähnen, dass in Bayern 40 Prozent aller Autos einen Dieselantrieb haben und die hessische Metropole Frankfurt zu den besonders schadstoffbelasteten Städten zählt?
Die Zukunft ist leicht und klein
Selbst wenn in Zukunft alle Benziner fahren würden, wäre das auch keine Lösung. Denn dann würde der klimaschädliche CO2-Ausstoß weiter steigen. Immer größer, immer schneller, immer bequemer - so lieben die Deutschen ihre Autos. Versehen mit allen Assistenzgeräten zum Fahrkomfort und zur Fahrstabilität, die man sich nur denken kann. Rund 100 Steuergeräte sind in einem modernen PKW heute verbaut. Entsprechend hoch ist das Gewicht der Karossen. Allen voran die beliebten SUV. Mit einem Dieselmotor lassen sich diese Autos gut fahren. Ein vergleichbarer Benzinmotor müsste viel stärker sein und hätte Verbrauchswerte im Stadtverkehr jenseits der 20-Liter-Marke.
Den Käufer eines Porsche Cayenne kümmert das wenig. Deswegen fiel es dem Hersteller der noblen Sportwagen nicht besonders schwer, sich flugs vom Diesel zu verabschieden. Bei VW, Audi, Daimler und BMW dürfte das anders aussehen. Doch auch sie können das Märchen vom sauberen Diesel, mit dem sie so lange gutes Geld verdient haben, nicht länger erzählen. Stattdessen müssen sie ihren Kunden reinen Wein einschenken: Der Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell. Die Zukunft wird elektrisch sein und sie wird Abrüstung mit sich bringen. Leicht und wohl auch viel kleiner werden die Autos von morgen sein. Jedenfalls für alle, die nach bezahlbaren Fahrzeugen suchen. Es hat sich ausgedieselt.