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Kommentar: Es könnte schiefgehen

Christoph Hasselbach15. März 2013

Der jüngste Gipfel hat gezeigt: Die EU ist in der Krisenpolitik an einem Wendepunkt angekommen. Wenn sie nicht aufpasst, könnten alle früheren Erfolge aufs Spiel gesetzt werden. Christoph Hasselbach kommentiert.

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Es hätte so schön sein können. Seit dem vergangenen Sommer war ein wenig Ruhe auf den Finanzmärkten eingekehrt. Grund war vor allem, dass EZB-Chef Mario Draghi angekündigt hatte, dass die Zentralbank notfalls unbegrenzt Anleihen angeschlagener Staaten kaufen würde. Aber auch die Einsparbemühungen in Europa haben einige Fortschritte gemacht. Defizite wurden abgebaut, Produktionskosten im Süden gesenkt, damit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder verbessert. Die EU war auf einem guten Weg. Aber auch auf einem beschwerlichen. Denn die Kehrseite sind grassierende Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche.

Porträtfoto von Christoph Hasselbach, DW-Korrespondent in Brüssel (Foto: DW)
Christoph Hasselbach, DW-Korrespondent in BrüsselBild: DW

Manche nehmen die Lasten stoisch auf sich

Spätestens mit der Wahl in Italien scheint der gesamte Kurs in Frage gestellt. Obwohl Ministerpräsident Mario Monti nur ganz behutsam reformierte, erlitt gerade er eine schwere Niederlage. Gewonnen haben diejenigen, die jede solide Wirtschaftspolitik ablehnen, wenn nicht sogar den Euro ganz aufgeben wollen. Es gibt sicher spezifisch italienische Aspekte dabei. Aber quer durch Europa sagen die Menschen: Uns reicht's mit der Sparpolitik! Und auch Politiker, angeführt vom französischen Präsidenten Francois Hollande, wollen sich mit dem Defizitabbau Zeit nehmen und stattdessen das Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen. Viele meinen mit Wachstum aber, auf alte Schulden nur noch weitere aufzuhäufen und das Abzahlen anderen zu überlassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Anhänger geraten mit ihrem Sparkurs in die Defensive. Sie können noch so oft sagen, Konsolidierung und Wachstum schlössen sich keineswegs aus, ja, bedingten einander sogar. Die Grundstimmung steht gegen sie. Das heißt, nicht überall gibt es Widerstand. Denn beim genaueren Hinsehen hat sich die Nord-Süd-Spaltung nur noch weiter vertieft. Iren oder Letten nehmen stoisch die Lasten auf sich. Und vor 20 Jahren haben sich Schweden und Finnen ziemlich klaglos aus ihren Haushaltsproblemen herausgearbeitet. Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt erinnert auch daran, dass man Vieles verbessern kann, ohne zu sparen: den Arbeitsmarkt öffnen, die Staatsverwaltung effizienter machen, Korruption bekämpfen.

Angst vor dem Aufstand

Doch auch solche Reformen werden in Italien oder Griechenland gar nicht oder nur sehr widerwillig angepackt. Man kommt in Europa um das unangenehme Thema Mentalität nicht herum. Aber man darf dabei nicht stehenbleiben. Denn die EU-Länder sind voneinander abhängig. Der Konsolidierungs- und Reformkurs muss weitergehen, sonst fällt ganz Europa im weltweiten Wettbewerb zurück. Es wäre unverantwortlich, die Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen und ihnen zu sagen, es könne eigentlich alles so sein wie früher, wenn nur die stabilitätsvernarrten Deutschen nicht wären. Die entscheidende Frage ist jetzt, ob spürbare Erfolge der Politik früh genug kommen, bevor die Stimmung endgültig kippt. Der luxemburgische Ministerpräsident und langjährige Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sieht bereits die Gefahr einer Revolution.

Was in Europa fehlt, sind Leute vom Schlage eines Herman Van Rompuy. Der oft als Langeweiler und graue Maus verspottete EU-Ratspräsident wird nicht müde zu erklären, zu vermitteln, zu ermutigen. Er hat von einem Langstreckenrennen gesprochen, in dem die EU stehe. Sie habe schon viele Hindernisse überwunden, die bisher als unüberwindbar gegolten hätten; das letzte Stück sei vielleicht das schwierigste, aber es sei eben das letzte. In diesem Bild steckt eigentlich alles, was die Menschen in Europa im Moment brauchen: Verständnis für ihre Schwierigkeiten, Lob für erreichte Fortschritte, der Hinweis auf das Ziel. Und nicht zuletzt bedeutet das Bild auch: Es gibt nur EINEN Läufer, nicht 27.