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Das Ende des schönen Spiels

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
3. November 2018

Geheime Pläne für eine Super League, Profitgier und jede Menge Lügen - die Football Leaks offenbaren eine neue Dimension der Kommerzialisierung des Fußballs. Da hilft nur noch eins, meint Joscha Weber: abschalten!

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Geldregen Geldscheine Mercedes-Benz Arena zur blauen Stunde
Es regnet Geld ins Stadion - mehr als nur eine Fantasie der Fußball-BosseBild: picture-alliance/imageBROKER/M. Weber

Ein ganz normaler Samstag im Jahr 2021. Die vierköpfige Familie Huber aus München ist auf dem Weg zum Auswärtsspiel des FC Bayern München. Seit vielen Jahren sind die Hubers Anhänger des Rekordmeisters, begleiten den FCB zu fast jedem Spiel. Früher waren das Autofahrten nach Stuttgart oder Augsburg. Nun geht's zum Flughafen, Destination Barcelona. Flugtickets, Hotel, sündhaft teure Sitzplatzkarten - der Trip kostet Familie Huber das Zehnfache im Vergleich zu früheren Auswärtsfahrten. Und das ist erst der Anfang: Das Pay-TV-Abonnement kostet das Dreifache, ein Trikot aus dem Fanshop das Doppelte und Interviews mit den Bayern-Stars gibt's nur noch im kostenpflichtigen FC Bayern TV. Willkommen in der neuen European Super League.

Das Lippenbekenntnis des FC Bayern

Dieser teure Fan-Albtraum könnte tatsächlich Wirklichkeit werden. Jedes Wochenende Bayern zu Gast bei Barcelona und Real Madrid bei Manchester United. Die Crème de la Crème unter sich und die Kasse klingelt. Die Pläne für eine solche Beletage des europäischen Fußballs sind weit gediehen, Topklubs wie Bayern München prüften den Ausstieg aus ihrer nationalen Liga, und die Champions League stünde wohl vor dem Aus. Das alles geht aus den neuen Football Leaks hervor, wie der "Spiegel", der NDR und eine Reihe internationaler Medien des internationalen Rechercheverbunds European Investigative Collaborations (EIC) berichten. Die veröffentlichten Dokumente, Aussagen und Details sprechen eine klare Sprache: Die Planungen der europäischen Topklubs, vor allem aus Vermarktungsinteressen heraus eine Super League zu gründen, sind viel weiter und konkreter, als von den Beteiligten bisher behauptet. Manch ein Verantwortlicher wie FCB-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge beeilte sich nach der Enthüllung zwar zu behaupten, dass alles halb so wild sei. Der Liga-Krösus stehe "zu seiner Mitgliedschaft in der Fußball-Bundesliga". Dass nach Aktenlage aber bereits vor zwei Jahren juristisch der Ausstieg aus Deutschlands oberster Fußball-Liga geprüft wurde, entlarvt den Treueschwur Rummenigges als Lippenbekenntnis.

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DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Der Fan soll weiter anfeuern - und vor allem zahlen"

Es ist nur eine von mehreren Lügen, die die Football Leaks aufdecken. So zum Beispiel auch die des Financial Fairplay. So konnten neureiche Vereine wie Paris Saint-Germain beim Umgehen dieser Regel sogar auf die Hilfe derer bauen, die deren Einhaltung eigentlich überwachen sollten, namentlich die UEFA-Funktionäre um den damaligen Generalsekretär und heutigen FIFA-Präsidenten Gianni Infantino. Nur so konnte der katarische Scheich Nasser Al-Khelaifi in den vergangenen sieben Jahren 1,89 Milliarden Euro in den französischen Hauptstadtverein pumpen, 222 Millionen für den Brasilianer Neymar zahlen und damit ungestraft den Wettbewerb verzerren. Merken Sie etwas? Es geht nur ums Geld. Um immer mehr Geld, viel mehr.

Aus der Kommerzspirale gibt es nur einen Ausweg

Das Geschäft mit dem Fußball wächst manchem aber noch immer nicht schnell genug. Deswegen soll nun der Turbo eingeschaltet werden. Mit einer europäischen Super League, die ihren Mitgliedern noch weit mehr Einnahmen beschert als der bisherige Goldesel namens Champions League. "Vollvermarktung", also das ungeteilte Abgreifen des Gewinns, lautet das Zauberwort. Und währenddessen wird den Fans eine heile Fußballwelt vorgegaukelt. Tradition wird betont, die Nähe zur Basis und sogar "echte Liebe" suggeriert. Alles nur aus einem Grund: Der Fan soll weiter anfeuern - und vor allem zahlen.

Der Profifußball ist ein Milliardengeschäft, das längst nur noch der Logik der Gewinnmaximierung folgt. Die Gier der Bosse nach Einnahmen übersteigt längst die Gier der Spieler nach Titeln. Es ist eine gefährliche Gier. Sie wird den Fußball, wie wir ihn kennen, am Ende zerstören. Nur noch wenige werden sich den Luxus eines Stadionbesuchs leisten können, frag nach in der Premier League. Da hilft nur noch eins: abschalten. Unsere Beispielfamilie Huber sollte den Fernseher auslassen, das teure Pay-TV-Abo (von denen ein Bundesliga-Fan in Deutschland inzwischen drei benötigt) kündigen, kein Trikot mehr kaufen, statt ins Stadion samstags mal in den Zoo fahren. Leere Tribünen, sinkende TV- und Merchandise-Einnahmen - diese Sprache würden die Verantwortlichen verstehen. Und vielleicht noch einmal darüber nachdenken, was Fußball eigentlich ist: nämlich keine Ware, sondern nur ein Spiel.