Es ist nur eine Zahl, doch sie steht sinnbildlich für die Krise der deutschen Nationalmannschaft: 4,70 beträgt die Quote bei einem großen europäischen Wettanbieter, wenn man auf einen deutschen Sieg im Spiel bei Weltmeister Frankreich am Dienstag (ab 20:30 Uhr MESZ im DW-Livestream) setzt. Bei einer Wette auf eine Niederlage gibt es gerade einmal 1,70 Euro für einen Euro Einsatz und bei anderen Wettanbietern ist es ähnlich.
So schlecht wie jetzt sahen die Buchmacher die DFB-Elf schon lange nicht mehr - und sie sind damit nicht allein.
Wenn das Selbstbild zum Zerrbild wird
Nach der 0:3-Pleite in den Niederlanden gab es schimpfende Fans im Stadion, Häme auf Social Media und Kritik in den Medien. Und was sagen die Beteiligten? "Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Wir haben uns nichts vorzuwerfen", befand Abwehrchef Mats Hummels und setzte noch einen obendrauf: "Wir sind mit die Besten in dem, was wir machen." Und Stürmer Timo Werner ergänzte: "Wir haben gezeigt, dass wir das Fußballspielen nicht verlernt haben."
Eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Sichtweise.
Da verliert die deutsche Elf zum fünften Mal im zehnten Spiel in diesem Jahr (bei nur drei Siegen), da wird man von einer jungen holländischen Mannschaft teilweise taktisch vorgeführt, da hagelt es anschließend Kritik - und was hört man aus der deutschen Mannschaft? Alles prima!
Von wegen. Vor Bundestrainer Joachim Löw türmt sich ein Berg von Problemen auf: eklatante Abschlussschwächen, haarsträubende Abwehrfehler, Ideenlosigkeit im Spielaufbau, fehlender Mut, reihenweise formschwache Weltmeister, sogar ein danebengreifender Torwart.
Doch der DFB lebt weiter in seiner Blase. Man findet sich immer noch ziemlich gut. Die Spieler reagieren bockig auf Kritik (nur wenige gaben Fehler zu), der Trainer vertraut weiter den Kräften, die bei der WM in Russland grandios scheiterten, und der Präsident ruft in einer Dauerschleife Durchhalteparolen aus. Alles Negative wird ja nur von außen ans Team herangetragen.
Vermutlich sogar die Gegentore.
Wer nichts ändert, ändert nichts
Die deutsche Nationalmannschaft erlebt ihre schwerste Krise seit der ruhmlosen Ära Ribbeck anno 2000, doch die Beteiligten wollen das nicht wahrhaben. Es ist eine eigenartige Realitätsflucht, die im DFB-Lager um sich greift. Nach dem krachenden WM-Aus wurden tiefgreifende Veränderungen versprochen, doch nichts geschah. Rein gar nichts. Weder personell, noch taktisch, noch strukturell - nada.
Stattdessen agieren Löw und Grindel nach dem Merkelschen Weiter-so-Prinzip und stehen damit genau wie die Kanzlerin vor einem Scherbenhaufen ihres Tuns. Vor dem Duell gegen Frankreich droht Deutschland der Abstieg in die zweite Liga der neugeschaffenen UEFA Nations League. Ein echtes Endspiel für Löw.
Verliert sein Team auch gegen den Weltmeister, wird die Blase platzen. Und den Knall wird man dann selbst beim DFB hören.