Eigentlich soll ja 2020 alles anders werden: eine "europäische" Europameisterschaft mit Spielen in verschiedenen Metropolen des Kontinents. Doch schon die EM 2016 wird eine andere, eine neue EM. Und das bedeutet nicht unbedingt Gutes. Frankreich 2016 wird in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Erfahrung für die Fußballfans. Einen kleinen Vorgeschmack gab es dabei schon am Samstagabend bei der Auslosung in Paris.
Auf dem Weg zum Palais des Congrès überall Polizisten - und scharfe Kontrollen. Die ersten im Zug nach Frankreich, dann auf dem Bahnsteig, eine weitere am Ausgang der Metro und gleich drei Mal am und im Kongressgebäude. Tasche auf, Ausweis her, kritische Blicke. Die Vorsicht der französischen Sicherheitskräfte ist nur verständlich. Die koordinierten Anschläge auf Paris vom 13. November, die unter anderem auch dem Fußballspiel Frankreich gegen Deutschland galten, haben tiefe Wunden hinterlassen - und ein großes Misstrauen.
"Mulmiges Gefühl"
Frankreich befindet sich im Krieg. Nicht nur in Syrien, sondern auch in der Heimat, wo die Anschläge zumindest mit geplant und durchgeführt wurden. Die Folgen sind sichtbar dieser Tage in Paris, besonders wenn gleich zwei global beachtete Events wie die Welt-Klimakonferenz und die EM-Auslosung gleichzeitig stattfinden. Und das wird bei der EM im kommenden Sommer nicht anders sein. Inmitten von Polizei-Hundertschaften mit teils automatischen Waffen stellt sich aber die Frage: Kann dies noch ein fröhliches Fußballfest werden?
Die Antwort ist: nur bedingt. Natürlich sind Sicherheitsmaßnahmen in Zeiten wahllos tötender Terroristen zwingend notwendig. Sie ermöglichen erst das Stadionerlebnis, für das Fans aus dem ganzen Kontinent anreisen. Doch vor einer solch waffenstarrenden Kulisse kann es keine unbeschwerte Fußballparty werden. Von einem "mulmigen Gefühl" sprachen viele Besucher der EM-Auslosung. Wo Angst ist, kann keine Euphorie entstehen. Ein französisches Sommermärchen ist so momentan schwer vorstellbar. Die Omnipräsenz des Anti-Terror-Kampfs wird dieses Turnier prägen.
Aufgeblähte Vorrunde
Und leider auch ein Verlust des sportlichen Wertes. Wenn von nun 24 teilnehmenden Mannschaften nur ganze acht das Turnier nach der Vorrunde verlassen müssen, stellt sich die Frage: wozu überhaupt eine Vorrunde? Die Aufblähung der EM auf stolze 51 Spiele dient vor allem den UEFA-Finanzen und sicher auch den TV-Sendern, die das Spektakel übertragen. Mehr Spiele, mehr Einnahmen ist die simple Logik. Auf der Strecke bleibt dabei aber die Spannung. Wenn selbst die vier besten Gruppendritten weiterkommen, kann man sich dieses Vorgeplänkel eigentlich getrost sparen. Wenn UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino nun "ein außergewöhnliches Turnier" ankündigt, bleibt das dumpfe Gefühl, dass er damit Recht hat. Nur eben anders als gedacht.
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