Der unverzichtbare Diktator des Tschad
Man glaubt sich in der früheren Sowjetunion: In manchen Regionen holte der alte und neue Staatschef des Tschad mehr als 95 Prozent der Stimmen. Selbst in den Heimatorten und Hochburgen seiner oppositionellen Mitbewerber hat Idriss Déby den vorläufigen Ergebnissen zufolge klar gewonnen. Das Wort Wahlbetrug ist in aller Munde, und die Kommentare in den sozialen Medien sind eindeutig: "Ich habe die Betrugsmaschinerie unterschätzt", schreibt ein frustrierter Tschader per Twitter. Ein anderer wundert sich, dass Idriss Déby auch in der Region des seit vielen Jahren verschollenen und wahrscheinlich ermordeten Oppositionspolitikers Ibni Oumar über 90 Prozent der Stimmen erhalten hat. "Soll damit das Erbe Ibnis beschmutzt oder sollen die Bewohner Ouaddais gedemütigt werden?", fragt er.
Déby regiert das Land seit 26 Jahren - und die längste Zeit davon mit eiserner Hand. Mit den Menschenrechten nimmt er es nicht so genau, in den Kellern des Präsidentenpalastes soll es ein Geheimgefängnis geben. Gerüchte, die Erinnerungen an die Geheimpolizei unter Débys Vorgänger Hissène Habré wecken. Der ist derzeit wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem Sondertribunal in Dakar angeklagt.
Repressionen vor der Wahl
In den vergangenen Wochen rund um die Präsidentenwahl hat Déby die Daumenschrauben noch weiter angezogen: Protestkundgebungen wurden verboten, und wer dennoch protestierte oder zu laut kritisierte, wurde verhaftet. Einige führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft haben das schmerzhaft zu spüren bekommen - selbst wenn das Urteil gegen sie scheinbar gnädig ausfiel: Mit der Strafe von vier Monaten auf Bewährung statt der geforderten sechs Monate Haft hat man den Aktivisten einen Maulkorb verpasst; zwei von ihnen sind inzwischen aus dem Land geflüchtet. Soldaten, die nicht für Déby stimmen wollten, verschwanden spurlos. Andere Kritiker werden dem Regime mit Hilfe großer Summen Geld oder einflussreicher Posten gefügig gemacht. Oberstes Ziel: Die Opposition mundtot machen.
Doch die Repression nach innen stört außerhalb des Landes nicht weiter: Der Stratege Déby und sein Militär gelten als unverzichtbare Partner im Kampf gegen Krieg und Terror. Der Autokrat wird von Frankreich und den USA hofiert, sein Land dient als Militärbasis, er griff mit seiner Armee in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik ein. Noch einen Tag vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse war die UN-Sonderbotschafterin der USA zu Besuch, um die wichtige Rolle des Tschad im Kampf gegen die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram zu unterstreichen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Auch innerhalb Afrikas muss Déby keinen Gegenwind fürchten: Er ist Präsident der Afrikanischen Union, die sich nie darum geschert hat, ob ihre Chefs lupenreine Demokraten sind. Und die AU hat längst erklärt, die Wahlen im Tschad seien frei und fair gewesen.
Nichts dazu gelernt
Raffiniert, wie er ist, hatte Déby zudem im Wahlkampf erklärt, dass die fünfte Amtszeit auch seine letzte sein solle. Er werde danach die Verfassung so ändern lassen, dass die Zahl der präsidialen Mandate begrenzt sei. Was er nicht gesagt hat, war, dass er selbst es war, der 2005 die Verfassung ändern ließ, um eine dritte Amtszeit für sich möglich zu machen.
Die tschadische Bevölkerung hat kaum Chancen, den unliebsamen Präsidenten loszuwerden. Entsprechend groß ist der Frust - und auch die Wut auf Frankreich und die USA. Auf die beiden Länder also, die den Diktator Habré an die Macht brachten und diesen dann mit Débys Hilfe 1990 stürzten. Ein Vierteljahrhundert später sind die großen Mächte des Westens immer noch nicht schlauer geworden.
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