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Afrikanische Fortschritte

Ludger Schadomsky1. Februar 2015

Auf ihrem Gipfel haben die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union den 90-jährigen Robert Mugabe zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Die AU macht trotzdem Fortschritte, meint Ludger Schadomsky.

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Afrikanische Union 24. Gipfeltreffen in Addis Abeba
Bild: DW/G. Tedla

Es gab nicht wenige afrikanische Staatenlenker, die am Wochenende in Addis Abeba dem gestürzten libyschen Diktator Muammar Gaddafi nachtrauerten. Das lag weniger an dessen bizarren Auftritten bei vergangenen Gipfeln der Afrikanischen Union (AU), als er sich in Phantasieuniformen zum "König der Könige Afrikas" ausrief. Vielmehr vermissen sie in Afrikas Hauptstadt die üppigen Transferleistungen aus Tripolis, die die panafrikanische Organisation lange am Leben hielten.

Soll niemand sagen, die AU wäre nicht kreativ, alternative Geldquellen zu erschließen: Steuern auf Flugtickets und Übernachtungen sowie eine Abgabe auf jede SMS sollen 2,5 Milliarden US-Dollar im Jahr einspielen - genug für Krisen- und Ebola-Interventionsbrigaden. So sollen schon 2016 zwei Drittel des Budgets aus eigenen Mitteln stammen - heute sind es gerade 28 Prozent.

SMS-Steuer als afrikanische Lösung

Das Problem: Die Steuern sind freiwillig, und schon jetzt stänkern viele Mitgliedstaaten wegen möglicher Auswirkungen auf Tourismus und Investitionen - das ambitionierte Ziel wird wohl weit verfehlt werden.

Die nun in Addis Abeba mandatierte, 7500 Soldaten starke Interventionstruppe gegen Boko Haram taugt bei der Frage nach der nachhaltigen Finanzierung afrikanischer Krisenlösungen nur bedingt als Blaupause: Die beteiligten Länder haben ein substantielles Eigeninteresse an einem Ende des Terrors und mit Tschad und Kamerun zwei Führungsmächte, die diesem Anspruch auch gerecht werden - im Gegensatz zur hilflosen Supermacht Nigeria. Angesichts des Entsetzens über die Grausamkeiten Boko Harams dürfte das angestrebte UN-Mandat nur Formsache sein. Neben Deutschland haben auch die USA und sogar der Iran Hilfe zugesagt.

Der afrikanischen Sicherheitsarchitektur fehlt das Fundament

Doch das löst nicht das Grundproblem der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur, die seit Jahren auf äußerst wackligen Füßen steht und von einem Feuerwehreinsatz zum nächsten eilt: Wer bezahlt, wer stellt die Truppen - und wer hat am Ende das Sagen - und damit den Persilschein, seine eigenen Regionalinteressen zu verfolgen? Dieser Ansatz spielt panafrikanische gegen regionale Krisenintervention aus - zum Leidwesen der betroffenen Länder. Ein abstoßendes Beispiel dafür sind die "Friedensverhandlungen" für den Südsudan. Abgesehen davon, dass beide Konfliktparteien die AK-47 dem Verhandlungstisch gegenüber deutlich bevorzugen, ist die Regionalstaatengruppe IGAD mit ihren Einzel-Interessen der Äthiopier, Kenianer und Ugander ein denkbar schlechter Mediator.

Porträt von Ludger Schadomsky (Foto: DW)
Ludger Schadomsky leitet die Amharisch-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW/P. Henriksen

Die Boko Haram-Krise (die am anderen Ende des Kontinentes in Gestalt der somalischen Al-Shabab widerhallt) wirft neben der Ressourcen- aber eine andere, noch wichtigere Frage auf: die nach dem politischen Willen der Afrikaner, das Superwahljahr 2015 im Geiste tragfähiger und transparenter Konfliktlösungen zu beginnen. Das gilt vor allem für Afrikas selbsternannte Supermacht Nigeria. Die Intervention der Clique um Präsident Jonathan Goodluck ist mit haarsträubend noch positiv beschrieben. "Boko Haram? Schaffen wir allein", hieß es aus Abuja - zu einem Zeitpunkt, als sich der Präsident schon nicht mehr in die betroffenen Regionen traute. Goodluck tat gut daran, sich beim Addis-Gipfel gar nicht erst sehen zu lassen - zu peinlich wären die Fragen gewesen, warum der Nachbar Tschad, nicht aber Nigerias hochalimentierte Armee militärische Erfolge gegen die Steinzeitkrieger einfährt.

Realpolitik schlägt Ideologie

Apropos politischer Wille: Zwischen London und Washington herrscht nun einiger Verdruss wegen der Wahl des bald 91 Jahre alten Simbabwers Robert Mugabe zum Vorsitzenden der AU. Doch den Dinosaurier aus Harare muss niemand mehr fürchten. Der Friedens- und Sicherheitsrat der AU hat sich, bei aller Kritik, inzwischen zu einem durchaus ernstzunehmenden Instrument afrikanischer Politgestaltung gemausert. Und in den Fluren des AU-Gebäudes äußert eine neue Generation afrikanischer Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft, bisweilen noch etwas verdruckst, Entsetzen über die Ideologiedebatten der Altvorderen. Das ist, noch vor der SMS-Steuer, die gute Nachricht aus Addis Abeba.