Kolumne: (K)ein Herz für Tiere
11. Dezember 2016Warum gibt es Tierschutzvereine? Um die Tiere vor den Menschen zu schützen. Diesen Satz höre ich immer wieder bei der Gala zum 175-jährigen Bestehen des Berliner Tierschutzvereins. Und er klingt auch jetzt noch nach in meinem Kopf. Die Aussage ist ja eigentlich schlicht und einfach, aber gleichzeitig ungeheuer explosiv. Denn soviel Anklage steckt in ihr. Und Enttäuschung über uns selber. Ich frage mich: Was sind wir für Menschen, dass man die Tiere vor uns schützen muss?
Tribunal auf der Tanzbühne
Dass sich hinter der Einladung zur Tierschutz-Gala solche Abgründe auftun würden, hatte ich nicht geahnt. Als ich mich auf den Weg zum Friedrichstadtpalast machte, dachte ich an unseren zufrieden schnurrenden Kater, den wir als Kinder zu Hause hatten. Ich freute mich auf einen vergnüglichen Abend.
Doch die riesige Bühne des Friedrichstadtpalastes in Berlin Mitte, sonst schwungvollen Revuen vorbehalten, wird zum Ort eines Tribunals. Massentierhaltung, Tierversuche, Tierquälerei - diese oft benutzten Stichworte füllen sich für mich plötzlich mit Leben und gewinnen unangenehme Dringlichkeit. Zu Bildern von malträtierten Schweinen singt Volksmusikstar Stephanie Hertel "Die Würde des Schweins ist unantastbar". Im "Quatsch Comedy Club" nebenan wäre das der Brüller gewesen. Hier bleibt mir das Lachen im Hals stecken.
Tierschutz fängt beim Essen an
Tierschutz fängt beim Essen an, sagt Hertel hinterher. Selber ist sie überzeugte Vegetarierin und preist die Vorzüge des Wickelknödels. Aus mir wird wohl kein Vegetarier werden, fürchte ich. Aber ich nehme mir vor, beim Einkauf auf Herkunft und artgerechte Haltung der Tiere zu achten.
Nicht viel besser als den Schweinen geht es in Berlin den Katzen: Mehr als 100.000 von ihnen sollen in der Stadt herumstreunen. Keiner kümmert sich - außer ein paar guten Seelen und den Profis des Tierschutzvereins. Die nehmen die Katzen dann in ihr Tierheim auf im Nordosten Berlins. Mit seinem ausschließlich aus Spenden finanzierten Jahresetat von 8 Millionen Euro ist es eines der größten Tierheime in Europa. Neun Mediziner, über 60 Tierpfleger und viele Ehrenamtliche versorgen dort insgesamt mehr als 1.400 Tiere, darunter Katzen, Hunde, 18 Affen und ein Schwein namens Christiano Ronaldo.
Streichelpate im Tierheim
Im Heim helfen auch Jugendliche aus der Tierschutzjugend – als Streichelpate im Katzenhaus oder bei der Organisation von vegetarischen Kochkursen. Einer von ihnen kommt auf die Bühne und lässt mich aufhorchen: "Wir wollen nicht Teil eurer egoistischen Welt sein", sagt er. Ich spüre: Das ist die tiefergehende Motivation der vielen Helfer und Spender. Die Tiere als Lebewesen wertzuschätzen und zu schützen, das ist an sich schon wichtig. Doch darüber hinaus sollte der achtsame Umgang mit Tieren auch Teil unseres Lebens und unseres Weltverständnisses sein.
Tierschutz hat eine lange Tradition in Berlin. Der vor 175 Jahren gegründete Verein - damals hieß er "Verein gegen Tierquälerei" - ist einer der ältesten in Deutschland. Der preußische Beamte C.J. Gerlach ergriff damals die Initiative, nachdem er die Misshandlung eines Kutschpferdes mitbekommen hatte. Heute hat der Verein 15.000 Mitglieder.
Tierschutz ist auch politische Lobbyarbeit
Das ist eine Macht, an der auch die Politik nicht vorbeikommt. Die 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins, Ines Krüger, kann Erfolge in der Berliner Landespolitik vorweisen. Die "tierschutzpolitischen Entscheidungen" im Koalitionsvertrag des neuen rot-rot-grünen Senats greifen Forderungen des Vereins auf: darunter die drastische Verringerung von Tierversuchen, die Entwicklung von Alternativ- und Ersatzmethoden, das Verbot von Pferdekutschen in der Innenstadt und die Berufung eines hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten.
Gratulation zu diesem Erfolg! Wieder ein Schritt mehr auf dem Weg zu einer besseren Welt - für die Tiere und für uns.