Belgien eröffnet neu konzipiertes Afrikamuseum
8. Dezember 2018Nur wenige hundert Meter entfernt von dem palastartigen Museum, das das Königreich Belgien als Gastgeber der Weltausstellung 1897 gebaut hatte, befindet sich ein denkwürdiger Ort. 267 kongolesische Dorfbewohner waren damals zu einer Ausstellung wie in einem Zoo hinter Zäunen untergebracht - mit Schildern: "Bitte nicht füttern!" Ein düsteres Kapitel belgischer Kolonialgeschichte.
Das im Dezember 2018 wieder eröffnete Afrika-Museum im belgischen Tervuren versucht jetzt mit einem neuen, politisch überarbeiteten Ausstellungskonzept dieses Kapitel fragwürdiger Kolonialgeschichte aus dem 19. Jahrhundert abzuschließen.
Eine Wandarbeit des Künstlers Freddy Tsimba erinnert daran. An sonnigen Tagen werden die Namen von sieben afrikanischen Dorfbewohnern, die 1897 an Lungenentzündung gestorben waren, durch ein Glasfenster auf eine Wand projiziert.
Auch die Namen von 1500 Belgiern, die während der Kolonisationszeit zu Tode gekommen waren, sind auf der grundierten Wand zu lesen. "Das wirft einen künstlerisch platzierten Schatten auf die Kolonialzeit, auch auf die Gewalt damals", erklärt Koekie Claessens, eine der Projektleiterinnen und zeigt auf die Wand des Museums.
"Man kann also nicht sagen, dass wir nicht an dieses dunkle Kapitel erinnern", betont Museumsdirektor Guido Gryseels und fügt hinzu, dass draußen im Park, wo der Zoo stand, eine Gedenktafel eingeweiht wurde, die jedermann an diese schreckliche Situation erinnern soll.
Wandel der öffentliche Wahrnehmung
Aber es gibt noch mehr Schatten über der Institution, die in der Vergangenheit oft als "letztes Kolonialmuseum der Welt" bezeichnet wurde. Grund war die Mission des Museums, die kolonialen Eroberungen des belgischen Königs König Leopold II. im Kongo nicht nur negativ darzustellen. Während dessen Regentschaft wurden jedoch schätzungsweise 10 Millionen Menschen in der belgischen Kolonie getötet.
Gryseels spricht offen über die lang verdrängte Anerkennung der verheerenden Auswirkungen des Kolonialismus in Belgien. "Seit mehr als 60 Jahren verbreiten wir das Bild einer westlichen Denkweise, die einer afrikanischen Denkweise überlegen ist", erklärte er. "Der Kolonialismus kann nur als unethisches System verstanden werden. Und dieses System ging einher mit einer rassistischen Ideologie und vor allem in den Anfangsjahren mit brutaler Gewalt."
Dunkles Kapitel der Geschichte
Während der "Staatsführung" von König Leopold II. (1885 bis 1908) wurde die afrikanische Kolonie Kongo zu wirtschaftlichen Zwecken rücksichtslos ausgebeutet, um Belgien finanziell zu bereichern. Einheimischen Arbeitern, die das verlangte Ernteergebnis für den Tag nicht einhalten konnten, ließ man ihre Hände oder Genitalien abhacken.
Der belgische Staat regierte den Kongo, der 76 mal so groß ist wie das Land Belgien, als Kolonialmacht bis zur Unabhängigkeit des afrikanischen Landes im Jahr 1960. Belgien kontrollierte auch das Gebiet, das dann zwischen 1916 und 1962 Ruanda und Burundi werden sollte.
Gryseels erwartet "sehr gemischte" Reaktionen auf die Neukonzeption des Afrika-Museums, das nun nach langer Umbauphase wieder eröffnet wurde. Afrikanische Stimmen sagen, dass die derzeitige Dekolonialisierung in Belgien nicht weit genug gehe. Es müsse in der Öffentlichkeit mehr historisches Bewusstsein für die Gewalt geben, unter der die afrikanischen Völker damals gelitten hätten.
Museumsdirektor Gryseel ergänzt allerdings im DW-Interview: "Viele Belgier arbeiteten in den damaligen Kolonien auch mit viel Idealismus. Es gab tausende Ärzte beispielsweise, die im Kongo unter sehr schwierigen Bedingungen gearbeitet, die Kinder geimpft, Frauen Geburtshilfe geleistet, Krankenhäuser und Apotheken gebaut haben. Man kann nicht sagen, dass das koloniale Rassisten waren."
Einzelne Museumsstücke werden ins Depot verbannt
Im Rahmen der Umgestaltung werden einige Museumsstücke, die Afrikaner als primitiv darstellen, in die unterste Etage verbannt. Im Rahmen der alten Dauerausstellung sind sie seinerzeit gezeigt worden, in dem neuen Kontext wird dies nun als rassistische Darstellung gewertet.
"Von 1908 bis 1960 wurde das Museum vom Ministerium der Kolonien finanziert....[und] spielte eine wichtige Rolle bei der Repräsentation von Afrika und Afrikanern und bei der Verherrlichung der Kolonie und ihrer Gründer", steht auf einem Schild mit dem Titel "Sidelined".
Tatsächlich beherrschen immer noch Aspekte dieses Kapitels die schwebende Rotunde des Museums, die vom belgischen Bildhauer Arsène Matton vergoldet wurde. Eine Statue zeigt die Rolle Belgiens als Kolonialmacht mehr als wohlwollend. Ein Missionar mit zwei fast nackten kongolesischen Jugendlichen, darunter der Titel: "Belgien bringt die Zivilisation in den Kongo".
"Neuer Atem" für die Kongolesen
In den neu konzipierten Museumsräumen steht die postkoloniale Skulptur einer aktuellen Arbeit des kongolesischen Künstlers Aime Mpane gegenüber. Seine riesige Kopfplastik heißt "Nouveau souffle ou le Congo bourgeonnant", übersetzt "Neuer Atem oder ein wachsender Kongo".
Im DW-Interview erzählt Mpane, dass er sehr von dem Angebot fasziniert war, ein Stück zu schaffen, das an der gleichen Stelle stehe wie die Skulpturen und Gemälde von König Leopold II., die alle den Kongo "stereotyp in kolonialen Klischees" darstellten.
Er hoffe, dass "diese Stücke zweitrangig werden" gegenüber seiner Arbeit, die den Dialog zwischen den Nationen darstelle. Mpane glaubt, dass das Museum mit dem Neuen Konzept der Dauerausstellung einen ersten Schritt zu einer Art Wiedergutmachung gemacht hat.
Kongolesische Diaspora geteilt
Aber Aime Mpanes Optimismus wird nicht überall in der afrikanischen Diaspora Belgiens geteilt. Billy Kalonji leitet ein Komitee, das seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Museum zusammenarbeitet. Kalonji räumt im DW-Gespräch ein, dass es sehr unterschiedliche Einschätzungen über den Umbau des Afrikamuseums gäbe. "An erster Stelle steht eine Gruppe, die sagt, dass dieses Museum niemals verwandelt werden kann - es muss zerstört und die Objekte zurückgegeben werden", erklärt er.
"Eine zweite Gruppe sagt, dass wir dieses Museum völlig leer räumen müssten, die Artefakte nehmen und ein anderes Museum eröffnen müssten. Und dann ist da noch die dritte Gruppe, die ich geleitet habe, die sagt, wir werden mit dem Museum und der belgischen und internationalen Öffentlichkeit zusammenarbeiten, um zu verstehen, was wirklich in der Kolonialzeit passiert ist. Und dann erst können wir die Zukunft dieses Museums beurteilen."
Laura Nsengiyumva, Architektin und Künstlerin, ist da mehr als skeptisch. Sie sei gebeten worden, Ihre Ideen und Einschätzung der Renovierung mit den Ausstellungsmachern auszutauschen, erzählt sie. Zuerst habe sie "wirklich an diese Einladung zum Dialog" geglaubt, aber die Planer seien nur daran interessiert gewesen, den Status quo aufrechtzuerhalten. "Für mich ist das postkoloniale Propaganda 2.0", sagt sie im Interview mit der Deutschen Welle.
Sie hält vor allem den Raum, der für die afrikanische Diaspora in Belgien geschaffen wurde, für eine "Katastrophe". Viele ihrer Empfehlungen seien ignoriert worden. "Die Machtdynamik ist immer noch patriarchalisch", sagte Nsengiyumva traurig und fügt hinzu, dass sie deshalb kein Interesse habe, an der Eröffnung teilzunehmen.