Klimaschutz-Index: Erste Staaten gehen voran
9. November 2021Ein bisschen mehr Licht als Schatten, und doch bleibt der Schatten bestimmend - so lässt sich das Ergebnis des neuen Klimaschutz-Index (KSI) beschreiben, den die Nichtregierungsorganisationen (NGO) Germanwatch und das New Climate Institute an diesem Dienstag vorstellen.
Schatten bestimmt den Index deswegen, weil sich weiterhin kein einziges Land auf dem 1,5-Grad-Pfad befindet. Auf diese Begrenzung der Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts hatten sich die Staaten auf dem Pariser Klimaschutzgipfel geeinigt. Wie in den vergangenen Jahren bleiben deswegen die ersten drei Plätze des Rankings leer: Als Gesamtnote bekam kein Land ein "Sehr gut".
Germanwatch und das New Climate Institute veröffentlichen den Index seit 2005 jährlich, um anhand einheitlicher Kriterien mehr Vergleichbarkeit in die internationale Klimapolitik zu bringen. Der aktuelle KSI blickt dabei auf 60 Staaten sowie den Staatenbund der EU, die zusammen für mehr als 90 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Internationale Wissenschaftler beurteilten vier Kategorien: den CO2-Ausstoß, den Einsatz erneuerbarer Energien, den Energieverbrauch sowie die Klimaschutzpolitik.
Skandinavien, Großbritannien und Marokko beim Klimaschutz vorne
Doch zumindest in einer Kategorie wurde zum ersten Mal überhaupt ein "Sehr gut" vergeben: an Norwegen im Bereich der erneuerbaren Energien. Und die Gesamtbewertung "gut" erreichen immerhin 15 Staaten - einer mehr als im vergangenen Jahr.
Die Klassenbesten auf den Rängen 4 bis 6 sind Dänemark, Schweden und Norwegen, vor allem dank großer Fortschritte bei den erneuerbaren Energien und guter Klimapolitik. Skandinavien zeige der Welt, wie ambitionierter Klimaschutz funktioniert, heißt es in dem Bericht.
"Wir stehen am Anfang des Jahrzehnts, in dem es vor allem um die Umsetzung der gesetzten Klimaziele geht. Dänemark, Schweden und Norwegen machen da ähnlich wie Großbritannien und Marokko vieles besser als der Rest der Welt", sagt Prof. Niklas Höhne vom New Climate Institute, einer der Autoren des Index.
Deutschland verbessert sich auf Rang 13
Aufgestiegen in den "grünen Bereich" sind beispielsweise Frankreich, Luxemburg und auch Deutschland. Seit 2013 lag die Bundesrepublik im KSI nur im Mittelfeld. Nun ist sie auf Rang 13 aufgestiegen. Doch weil auch das eher weiche Kriterium Klimapolitik im KSI mitberechnet wird, sei es noch zu früh, um über diesen Aufstieg zu jubeln, sagt KSI-Mitautor Jan Burck von Germanwatch. Deutschland habe sich zwar ambitionierte Klimaziele gesteckt, aber: "Auf die Frage, wie Deutschland seine Klimaziele tatsächlich erreichen will, hat die Politik noch keine ausreichenden Antworten gegeben."
Problematisch in Deutschland bleiben laut Klimaschutz-Index das hohe Emissionsniveau pro Kopf sowie der zuletzt massiv stockende Ausbau der erneuerbaren Energien. "Wir brauchen unter der neuen Bundesregierung ein 100-Tage-Programm gleich zu Beginn der Amtszeit und dann ernsthafte Fortschritte in allen Sektoren, fordert Co-Autorin Thea Uhlich von Germanwatch. Dazu gehörten der Kohleausstieg bis 2030, ein "Turbo" beim Ausbau der erneuerbaren Energien sowie sinkende Emissionen auch im Verkehrsbereich, so Uhlich.
COP26: Ambitionen für Kohle-Ausstieg lassen hoffen
Die EU als Ganzes befindet sich im oberen Mittelfeld des KSI. Doch einige EU-Mitgliedsländer fallen mit einer sehr schlechten Klimapolitik auf: Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und Tschechien.
Allerdings, so Jan Burck im DW-Gespräch, ließen Ankündigungen auf der aktuellen Klimaschutzkonferenz COP26 in Glasgow hoffen, dass sich das ändern könnte. So sei die Ankündigung vieler Kohleländer, innerhalb der nächsten 15 Jahre aus der Kohle aussteigen zu wollen, noch nicht im aktuellen KSI berücksichtigt. "Interessant ist hier vor allem, dass osteuropäische Länder, die stark von der Kohle abhängig sind, wie zum Beispiel Polen, sich dieser Vereinbarung angeschlossen haben. Und Südafrika hat sich mit einigen westlichen Ländern wie Deutschland zusammengetan, um mit ihrer Unterstützung schneller aus der Kohle auszusteigen." Diese Pläne könnten die Staaten im nächsten KSI-Ranking steigen lassen. Derzeit wird der Klimaschutz in Südafrika noch mit "schwach", der in Polen sogar mit "sehr schwach" bewertet.
Noch unterhalb von Polen, am "roten" Ende der Tabelle finden sich die größten Bremser: Russland und Australien liegen noch hinter den USA und Algerien. Schlechter wird der Klimaschutz nur noch in Südkorea, Taiwan, Kanada, Iran, Saudi-Arabien und Kasachstan bewertet.
China schwach, USA trotz Aufstieg weiter sehr schwach
Für den weltweit größten Treibhausgasemittenten China lautet die Gesamtwertung: "schwach". Die Volksrepublik rutscht vier Plätze auf Rang 37 ab. Chinas größte Probleme liegen in den hohen Emissionen und der bisher sehr schlechten Energieeffizienz. Sehr gut ist hingegen der Trend in China zu deutlich mehr erneuerbaren Energien. In diesem Bereich liegt das Land mit Rang 23 sogar vor Deutschland.
Beim zweitgrößten Emittenten der Welt, den USA, macht sich das erste Jahr unter US-Präsident Joe Biden positiv bemerkbar. Im Vorjahr noch Schlusslicht, klettern die USA in der Gesamtwertung um sechs Plätze auf Rang 55, bleiben aber in der untersten Kategorie "sehr schwach".
Nicht nur bei den Treibhausgasemissionen, auch bei den erneuerbaren Energien und beim Energieverbrauch liegen die USA auf den als “sehr schwach” bewerteten unteren Rängen. Die Verbesserung im Index sei ausschließlich auf die deutlich bessere Politikbewertung und das neue Klimaziel für 2030 zurückzuführen, erläutert Niklas Höhne vom New Climate Institute. "Es muss sich in den kommenden Jahren zeigen, ob Bidens Politik auch tatsächlich Früchte trägt“, sagt Höhne.
Indien vor dem Abstieg im Klimaschutz-Index
Vor einem Wendepunkt steht möglicherweise Indien – aktuell auf Rang 10 und damit im Bereich "gut" gelistet. Derzeit profitiert das Land noch von seinen relativ niedrigen Pro-Kopf-Emissionen. Doch diese steigen. Nur starke Klimaziele mit ambitionierter Umsetzung können das Land vor einem sonst drohenden Absturz im Ranking bewahren, heißt es im Klimaschutz-Index.
Immerhin: Auf der laufenden Klimaschutzkonferenz in Glasgow kündigte Premier Modi beim Treffen der Staats- und Regierungschef eine Nachbesserung der indischen Klimaschutzpläne für 2030 an. "Wenn diese neuen Ziele mit Sektorzielen untermauert und in die Umsetzung gebracht werden, wäre Indien auf einem guten Weg", so das Fazit der KSI-Autoren.