Klassik-Musikfestivals: Was findet 2021 statt?
10. Februar 2021Trotz zurückgehender Infektionszahlen und Zunahme von Impfungen wird die Corona-Pandemie auch in den nächsten Monaten unser Leben prägen. Europäische Musikfestivals bangen um ihre Existenz. Dennoch ist die Szene entschlossen, kreativ und flexibel auf die Herausforderungen zu reagieren, um das Beste aus der Krisenzeit zu machen. Welche Strategien gibt es? DW hat einen Blick in die Programme und Pläne von einigen Festivals von März bis September 2021 gewagt und mit den Festspiel-Intendanten gesprochen.
Osterfestspiele Baden-Baden (27.03 - 05.04.2021)
Im Festspielhaus zu Baden-Baden "keimt Hoffnung auf". So ist es auf der Homepage zu lesen. Intendant Benedikt Stampa "erwärmt sich an dem Gedanken, die Osterfestspiele mit den Berliner Philharmonikern als kleine Renaissance des Spielbetriebs vorbereiten zu können", heißt es. Noch sei allerdings nicht klar, wie genau die Kooperation mit den Berliner Philharmonikern aussehe, so Intendant Stampa weiter, "aber alle Künstlerinnen und Künstler sind bereit und voller Vorfreude". Einer von ihnen ist der russische Star-Regisseur Dmitri Tcherniakov. Er beginnt, wenn alles gut läuft, Ende Februar mit den Proben zu Tschaikowskis Oper "Mazeppa".
Die Information, wann und wie die Osterfestspiele 2021 in Baden-Baden stattfinden könnten, werde "so spät wie möglich und so früh wie nötig" veröffentlicht, schreibt Stampa, und bittet um ein wenig Geduld. Vielleicht kommt das orthodoxe Osterfest, das dieses Jahr auf den 2. Mai fällt, als Ausweichtermin in Frage?
Dresdner Musikfestspiele (14.05. bis 12.06)
Das Motto der Musikfestspiele Dresdenlautet 2021: "Dialoge". Der Cellist Jan Vogler, der das Festival seit 2009 leitet, blickt mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft: "Meine Verantwortung als Intendant und auch als Dresdner ist es, während der Corona-Krise so viel wie möglich von Ausstrahlung und musikalischer Kraft der Festspiele zu bewahren", sagt Vogler im Gespräch mit der DW. "Wir sind kreativ und flexibel: Formate mit begrenzter Zuschauerzahl, Streaming, Open Air und viel Kommunikation mit unserem weltweiten Publikum werden die Dresdner Musikfestspiele über diese schwere Zeit tragen."
Bachfest Leipzig (11.06. - 20.06.)
Trotz aller Unsicherheiten, die die Pandemie mit sich bringt, hat sich das Bachfest Leipzig entschlossen, ein umfangreiches und vielseitiges Programm zu entwickeln.
Das unter dem Motto "Erlösung" stehende Festival startet mit einem gewaltigen Auftakt: "Bachs Messias" erzählt vom 12. bis zum 15. Juni chronologisch das Leben des Erlösers anhand von drei Oratorien: der Matthäus-Passion und 33 ausgewählten Kantaten von Johann Sebastian Bach. Die elf Konzerte des Zyklus werden geleitet von führenden Bach-Interpreten, wie etwa dem niederländischen Dirigenten Ton Koopman und dem Japaner Masaaki Suzuki. Zunächst wird in jeder Spielstätte nur eine begrenzte Platzkapazität angeboten. Im Frühjahr wird entschieden, in welchem Umfang weitere Kontingente hinzukommen. "Nur so können wir absichern, dass das Bachfest 2021 tatsächlich wie geplant stattfinden kann", sagte der Intendant Michael Maul gegenüber der DW. "Ich freue mich, dass wir eine Lösung gefunden haben, nun mit allen geplanten Veranstaltungen trotz Pandemie fristgerecht in den Vorverkauf gehen zu können."
Festival "Spannungen" (17.06. - 21.06)
"Wir planen im Moment eine 'B-Variante' - mit reduzierter Anzahl von Künstlern, weniger Publikum (130 Zuschauer statt 550) und Programmen von 60 bis 70 Minuten ohne Pause, die jeden Abend zweimal gespielt werden", erklärt Lars Vogt gegenüber der DW. Der Starpianist ist Gründer und künstlerischer Leiter des Festivals "Spannungen", auch "Bayreuth der Kammermusik" genannt. Austragungsort des Festivals ist das Jugendstil-Kraftwerk im malerischen Eifel-Ort Heimbach. Letztes Jahr fand "Spannungen" nur als eine Art "Geisterfest" in Berlin statt - mit Übertragungen online und im Radio (so auch in der Reihe DW Festival Concerts). Auch dieses Jahr werden die Sender mit ihren Mikrofonen dabei sein. "Und wenn die Situation sich so entspannt, dass ein normaler Konzertbetrieb möglich wird, können wir relativ kurzfristig das Programm aufstocken", erklärt Vogt.
PODIUM Esslingen (15.07. - 25.07.)
"Aufgrund der aktuellen Situation haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, auch in diesem Jahr das Festival vom Frühjahr in den Sommer zu verschieben", so der Intendant von PODIUM Esslingen, Steven Walter, der 2021 das letzte Mal die künstlerische Leitung innehat (ab 2022 ist er Intendant des Beethovenfests Bonn). Stattdessen werde es, wie Walter sagt, "ein Feuerwerk unterschiedlichster Konzertformate in der wunderschönen schwäbischen Reichsstadt" geben. Also in Esslingen. "Wir hoffen sehr, dass wir bis dann wieder gemeinsam mit unserem Publikum die einmalige Kraft und die Schönheit der Musik erleben dürfen - wenn auch mit Abstand und strikten Hygiene-Maßnahmen." Der Vorverkauf startet voraussichtlich Ende April.
Salzburger Festspiele (17.07. - 31.08.)
Die Salzburger Festspiele waren im Corona-Sommer 2020 die große Ausnahme: Als einziges Traditionsfestival haben sie ein großes Experiment gewagt: Gespielt wurde in modifizierter Form und mit einem strengen, von Medizinern betreuten Hygienekonzept. "Wir bewegen uns auf dünnem Eis" - sagte damals der Salzburg-Intendant Markus Hinterhäuser. Das Eis hielt: Es gab keinen einzigen positiven Covid-19-Fall, weder unter Künstlern und Machern, noch bei den 76.500 Besuchern des Festivals.
Dieses Jahr geht das "Wunder von Salzburg" in die zweite Runde: Von Mitte Juli bis Ende August sind an 46 Tagen 168 Aufführungen geplant, darunter eine aus 2021 verschobene und heiß erwartete Premier von Mozarts "Don Giovanni" in einer Inszenierung von Romeo Castellucci, mit Teodor Currentzis am Pult. Außerdem Puccinis "Tosca" mit Anna Netrebko in der Titelrolle.
Bayreuther Festspiele (25.07.- 25.08.)
Die Bayreuther Festspiele finden statt - das ist die erfreulichste Nachricht nach der coronabedingten Komplettabsage des traditionsreichsten Festivals der Welt im Sommer 2020.
Die Festspielchefin Katharina Wagner präsentierte ein gewagtes Programm, das sowohl im Festspielhaus, als auch draußen stattfinden wird. Neben der Neuproduktion des "Fliegenden Holländers", bei der die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv als erste Frau das Festspielorchester leiten wird, stehen die Wiederaufnahmen der Produktionen "Die Meistersinger von Nürnberg" und "Tannhäuser" auf dem Programm. Außerdem werden drei Konzerte mit Christian Thielemann und Andris Nelsons zu erleben sein.
Noch ist nicht klar, wie viele Zuschauer im Festspielhaus dabei sein können. Denn es gibt wohl kaum einen zweiten Konzertort, der so ungeeignet ist für die Pandemie-Situation, wie der berühmte "Wagner-Schuppen". Im alten Holztheater sitzt man dicht an dicht bei Lüftungsbedingungen, die auch in Zeiten ohne Corona-Virus eine Zumutung sind. Bevorzugt werden bei der Bestellung Kunden, die 2020 leer ausgingen und auf eine Erstattung verzichtet haben. Am 6. Juni wird es auch einen Online-Sofortverkauf auf der Homepage geben.
Einen mindestens genauso spannenden wie auch internationalen Teil des Festspielprogramms verspricht die Reihe "Diskurs Bayreuth", die sowohl im Festspielhaus, als auch im umliegenden Park stattfinden wird: Wagners "Ring" wird von den bildenden Künstlern interpretiert. "Rheingold" gibt es als Puppenspiel von dem jungen Österreicher Nikolaus Habjan (und neuer Musik von Gordon Kampe). Der Amerikaner Jay Scheib geht "Siegfried" multimedial an, die Japanerin Chiharu Shiota wartet mit einer "Götterdämmerung"-Installation auf.
Beethovenfest Bonn (20.08.- 10.09.)
Nachdem ein Großteil des Beethovenfests Bonn im Jubiläumsjahr 2020 abgesagt werden musste, wird 2021 mit besonders viel Spannung erwartet. Die meisten der 54 Veranstaltungen konnten aus den Programmen des "Corona-Jahres" gerettet werden. Zum letzten Mal findet das Festivals unter der Intendanz von Nike Wagner statt - unter einem lang vor der Pandemie gefundenen Motto "Auferstehn, ja auferstehn!", was heute umso hoffnungsvoller klingt.
Apropos Hoffnung: Es gibt die optimistische Erwartung, dass das Festival, wenn auch vor reduziertem Publikum, dennoch mit der ihm eigenen Internationalität und vor allem mit großen Klangkörpern durchgeführt werden kann. "Allerdings arbeiten auch wir an den Plänen B und C - etwa mit kleineren Besetzungen, kürzeren Programmen, die dafür mehrfach wiederholt werden können, und alternativen Formaten, etwa wie populäre Public Viewing", so Michael Gassmann, der 2021 zum ersten Mal als neuer kaufmännischer Geschäftsführer für das Festival verantwortlich zeichnet.